Rz. 101

Erzielt der Geschädigte bei der Veräußerung des Kfz einen geringeren Restwert als denjenigen, der im Gutachten ausgewiesen ist, muss er sich jedoch nicht generell den vom Gutachter geschätzten höheren Wert anrechnen lassen. Vielmehr kann er seiner Schadensberechnung grundsätzlich den konkret erzielten Restwertbetrag zugrunde legen.[100] Dies gilt auch bei einer rein fiktiven Schadensabrechnung. Der konkret erzielte Restwert stellt dann einen wichtigen Anhaltspunkt für den vom Richter im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO zu ermittelnden tatsächlich gegebenen Restwert dar. Der BGH hat es ausdrücklich gebilligt, dass der Tatrichter sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens an dem konkret erzielten Restwert orientiert hat.[101] Macht der Haftpflichtversicherer des Schädigers demgegenüber geltend, auf dem regionalen Markt hätte ein höherer Restwert erzielt werden müssen, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei ihm.[102]

 

Rz. 102

Muster 8.29: Fiktive Abrechnung mit geringerem tatsächlich erzielten Restwert

 

Muster 8.29: Fiktive Abrechnung mit geringerem tatsächlich erzielten Restwert

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Unrecht haben Sie den vollen vom Sachverständigen _________________________ geschätzten Restwert bei der Regulierung in Abzug gebracht. Mein Mandant muss sich nicht generell auf den vom Sachverständigen geschätzten Restwert verweisen lassen. Vielmehr kann er seiner Schadensberechnung den tatsächlich erzielten Restwert auch bei einer rein fiktiven Abrechnung zugrunde legen. Der tatsächlich erzielte Restwert bildet auch für einen erkennenden Richter die für die Bemessung des Restwertes heranzuziehende Schätzungsgrundlage im Rahmen der von meinem Mandanten gewählten rein fiktiven Schadensabrechnung (BGH, Urt. v. 30.5.2006 – VI ZR 174/05 = NJW 2006, 2320). Der im Gutachten angeführte höhere Restwert stellt lediglich eine erste Schätzung dar, die sich vorliegend bei der konkreten Abwicklung des Falles nicht bestätigt hat. Sie tragen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein höheres Restwertangebot tatsächlich hätte erzielt werden können (BGH, Urt. v. 12.7.2005 – VI ZR 132/04 = NJW 2005, 3134). Zusammenfassend habe ich Sie aufzufordern, den offenen Restbetrag von _________________________ EUR unverzüglich an meinen Mandanten auszugleichen. Sollte die Zahlung nicht bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

erfolgen, werde ich meinem Mandanten eine gerichtliche Klärung dieser Frage empfehlen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 103

Der Schädiger ist für ein von ihm behauptetes Mitverschulden des Geschädigten bei der Erzielung des Restwertes darlegungs- und beweisbelastet.[103] Die hinter ihm stehende Kfz-Haftpflichtversicherung hätte daher im obigen Fall aufzuzeigen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte auf dem regionalen für ihn zugänglichen Markt ohne Weiteres einen höheren Restwert hätte erzielen können. Ein Mitverschulden dürfte dagegen in aller Regel ausscheiden, wenn der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass die bisherigen Bemühungen des Geschädigten nur zu Angeboten mit einem geringeren als im Gutachten angegebenen Restwert geführt haben und um die Vermittlung eines höheren Angebots unter Fristsetzung gebeten wird.

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