Rz. 38

Um die Haftung gegenüber allen Nachlassgläubigern auf den Nachlass zu beschränken, kann im Falle des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt werden, § 1975 BGB.[80]

 

Hinweis

Diese Haftungsbeschränkungsmöglichkeit kann zur Obliegenheit werden, bei deren Verletzung der Erbe sich wegen Insolvenzverschleppung schadensersatzpflichtig macht, § 1980 BGB, siehe näher Rdn 97 ff.

Es handelt sich um das reguläre Haftungsbeschränkungsmittel bei insolventem Nachlass (ohne insolventen Nachlass ist die Nachlassverwaltung das vorgesehene Mittel, siehe oben § 4 Rdn 38 ff.). Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein normales Insolvenzverfahren nach §§ 1 ff. InsO. Die InsO enthält in den §§ 11, 315 ff. InsO ergänzende Sonderregelungen für das Nachlassinsolvenzverfahren.[81]

[80] Thien, ErbR 2022, 771; Harder, NJW-Spezial 2022, 469; Hermreck, NJW-Spezial 2017, 149; Joannidis/Weiß, ZInsO 2017, 1192; Joannidis/Weiß, ZInsO 2016, 1889; Isekat/Weiß, ZErb 2016, 249; Hüsemann, Das Nachlassinsolvenzverfahren (1998). Dies mag auch anderen Zwecken dienen, so als "Königsweg zur Auseinandersetzung streitiger Erbengemeinschaften und Pflichtteilsansprüchen", wie Roth in ZEV 2023, 208 postuliert; siehe auch Roth/Wozniak, ZEV 2021, 489.
[81] Siehe aber auch Siegmann, Ungereimtheiten und Unklarheiten im Nachlassinsolvenzrecht, ZEV 2000, 221.

I. Eröffnungsgrund

 

Rz. 39

Eröffnungsgründe sind grds. nach §§ 320, 19 InsO die Überschuldung[82] und nach §§ 320, 17 InsO die Zahlungsunfähigkeit[83] sowie im Falle der Antragstellung durch einen Erben die drohende Zahlungsunfähigkeit[84] gemäß §§ 320, 18 InsO.[85] Maßgebender Zeitpunkt ist der der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit den dann erzielbaren Veräußerungswerten und nicht etwa der Zeitpunkt des Erbfalles.[86] Zur Prüfung der Frage, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, wird das Insolvenzgericht in der Regel nach § 5 Abs. 1 S. 2 InsO einen Sachverständigen einsetzen.[87]

 

Hinweis

Ein bereits zu Lebzeiten des Erblassers eröffnetes Insolvenzverfahren wird nach seinem Tod ohne Unterbrechung als allgemeines Nachlassinsolvenzverfahren fortgesetzt.[88] Restschuldbefreiung kommt aber nicht mehr in Betracht (str.).[89]

Kinder des Erblassers haben kein Zeugnisverweigerungsrecht im Nachlassinsolvenzverfahren, wenn sie selbst nicht Erbe geworden sind.[90]

[82] Siehe hierzu eingehend BeckOGK/Herzog, § 1975 Rn 116 ff.
[83] BeckOGK/Herzog, § 1975 BGB Rn 122 ff. Zahlungsunfähigkeit ist nicht mit Zahlungsunwilligkeit gleichzusetzen, BGH, Urt. v. 12.10.2017 – IX ZR 50/15, NJW 2018, 396.
[84] BeckOGK/Herzog, § 1975 BGB Rn 127 f.
[85] Roth, Die Eröffnungsgründe im Nachlassinsolvenzverfahren, ZInsO 2009, 2265.
[86] Bartsch, ZErb 2010, 345, 347 m.w.N.
[87] BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, NJW 2006, 3553; Zimmermann/Jünemann, ErbR Nebengesetze, InsO, § 320 Rn 2.
[88] Für die Regelinsolvenz BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, NJW 2004, 1444; für die Verbraucherinsolvenz BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZEV 2008, 350. Zur Frage, gegen wen sich die Ansprüche der Neugläubiger nach dem Tod des Insolvenzschuldners richten, siehe BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, ZEV 2014, 316 = ErbR 2014, 227; Graf-Schlicker/Busch Vor § 315 InsO Rn 8, 9 gegen HK-InsO/Marotzke § 325 InsO Rn 2; Heyrath/Jahnke/Kühn, ZInsO 2007, 1202, 1204. Siehe auch Pollmächer, VIA 2023, 9; Roth, NZI 2021, 421; Kampf, ZVI 2016, 343; Marotzke, Die Stellung der Nachlassgläubiger in der Eigeninsolvenz des Erben, FS Otte (2005), 223; Nöll, Der Tod des Schuldners in der Insolvenz (2005); Schmerbach, NZI 2008, 353; Siegmann, ZEV 2000, 345.
[89] BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, NJW-RR 2008, 873; AG Dresden, Beschl. v. 17.4.2019 – 544 IN 2661/11, BeckRS 2019, 21081; AG Leipzig, Besch. v. 11.1.2013 – 402 IK 204/06, ZInsO 2013, 615; AG Duisburg, Beschl. v. 25.5.2009 – 62 IK 59/00, ZVI 2009, 390; Otte, ZEV 2004, 9, 11; Krug, ZErb 1999, 10; Siegmann, ZEV 2000, 345, 348; MüKo/Siegmann/Scheuing, Vor §§ 315–331 InsO Rn 6, 7; NK-BGB/Krug § 1975 Rn 77.
[90] LG Freiburg, Beschl. v. 13.3.2019 – 3 T 39/19, ErbR 2019, 385 = ZEV 2019, 236.

II. Antrag

1. Antrag des Erben

a) Antragsrecht

 

Rz. 40

aa) Ein Antragsrecht haben zunächst die Erben,[91] § 317 InsO (auch die unbeschränkt haftenden, § 316 Abs. 1 InsO),[92] bei Miterben jeder allein und auch noch nach der Teilung (§ 316 Abs. 2 InsO);[93] nach richtiger aber umstrittener Ansicht auch der Erbeserbe für den Nachlass im Nachlass.[94]

 

Hinweis

Wie die Erben ihre Erbenstellung nachzuweisen haben, wird nicht einheitlich beantwortet. Manche fordern, dass ein Erbschein vorgelegt wird;[95] andere begnügen sich mit einer Glaubhaftmachung.[96] Amtsermittlungspflichten und Entscheidungsbefugnis über die Erbenstellung hat das Insolvenzgericht nicht.[97]

 

Rz. 41

bb) Der vorläufige Erbe hat ein Antragsrecht (wenn nicht ohnehin im Insolvenzantrag eine Annahme der Erbschaft liegt); nicht hingegen der ausgeschlagen bzw. die Erbschaftsannahme angefochten hat. Dies gilt selbst dann, wenn die Wirksamkeit der Anfechtung oder Ausschlagung bestritten wird un...

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