Rz. 409

Nicht selten beauftragt der ehemalige Auftraggeber mit seiner weiteren Vertretung einen anderen Anwalt. Dieser benötigt die das Verfahren betreffenden Unterlagen. Bereits an diesem Punkt beginnt häufig eine unerfreuliche Auseinandersetzung. Der ehemalige Mandant verlangt die Herausgabe der Handakte (Unterlagen). Sie vertreten den Standpunkt, dass der Auftraggeber ohnehin alle Unterlagen bereits von Ihnen erhalten hat. Diesen Streit vermeiden Sie, wenn Sie gleich zu Beginn durch Mandatsbedingungen klären, dass Sie selbstverständlich bereit sind, Unterlagen zu kopieren und zu versenden. Aber eben nur gegen Erstattung von Kopierkosten und Bereitstellung der Kosten für die Übersendung (s. Ziff. 5 des Musters "Allgemeine Mandatsbedingungen") unter Rdn 407.

 

Rz. 410

 

§ 50 BRAO

(1) Der Rechtsanwalt muss durch das Führen von Handakten ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Aufträge geben können. Er hat die Handakten für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde.

(2) Dokumente, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, hat der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber auf Verlangen herauszugeben. Macht der Auftraggeber kein Herausgabeverlangen geltend, hat der Rechtsanwalt die Dokumente für die Dauer der Frist nach Absatz 1 Satz 2 und 3 aufzubewahren. Diese Aufbewahrungspflicht gilt nicht, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber aufgefordert hat, die Dokumente in Empfang zu nehmen, und der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten nach Zugang nicht nachgekommen ist. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Korrespondenz zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber sowie für die Dokumente, die der Auftraggeber bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat.

(3) Der Rechtsanwalt kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Dokumente nach Absatz 2 Satz 1 so lange verweigern, bis er wegen der ihm vom Auftraggeber geschuldeten Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit das Vorenthalten nach den Umständen unangemessen wäre.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, sofern sich der Rechtsanwalt zum Führen von Handakten oder zur Verwahrung von Dokumenten der elektronischen Datenverarbeitung bedient.

(5) In anderen Vorschriften getroffene Regelungen zu Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten bleiben unberührt.

 

Rz. 411

Auch im Fall des Anwaltswechsels muss die Handakte nicht so an den neuen Anwalt weitergeleitet werden, wie sie im Büro geführt wurde. Ist der Vergütungsanspruch nicht erfüllt (der Mandant hat die Rechnung nicht beglichen), ist eine Herausgabe entsprechend § 50 Abs. 3 BRAO grds. nicht vorgesehen. Das Gesetz normiert eine Herausgabeverpflichtung der Handakte bei Zahlungsrückstand seitens des Auftraggebers nur dann, wenn die Verweigerung der Herausgabe unangemessen wäre. Wann Unangemessenheit vorliegt, regelt das Gesetz nicht. Dies ist eine Auslegungsfrage, die im konkreten Fall anhand der Kommentierung zu prüfen ist.

 

Rz. 412

Generell ist aber die Herausgabe der Handakte für jeden betroffenen Anwalt unerfreulich. So ist es doch nicht auszuschließen, dass der ehemalige Auftraggeber sich mit Forderungen an den seinerzeitigen Anwalt wendet. Ohne dann eine Handakte vorliegen zu haben, kann der RA eine etwaige Anspruchsberechtigung des Auftraggebers nicht prüfen. Es ist unumgänglich, hier Kopien zu fertigen, und entweder dem Auftraggeber die Kopien zu überlassen oder selbst die Kopien zu behalten.

Ob der RA hier berechtigt ist, Kopierkosten oder sonstige Auslagen von dem Auftraggeber zu fordern, ist fraglich.

 

Hinweis:

In § 50 BRAO ist nicht geregelt, wie Sie die Handakte aushändigen müssen. Es ist daher durchaus möglich, die Unterlagen dem neuen RA mittels Telefax oder per elek­tronischem Dokument zur Verfügung zu stellen.

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