A. Einführung

I. Einsatz neuer Medien und Formvorschriften

 

Rz. 1

Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie in der Arbeitswelt trägt dazu bei, auch im arbeitsrechtlich bedeutsamen Rechtsverkehr Kosten und Zeit zu sparen. Die damit verbundene Gleichstellung der elektronischen Form mit der konventionellen Schriftform führt zum Problem der Formäquivalenz. Es stellt sich die Frage, ob und wann beim Einsatz neuer Medien den Schriftformerfordernissen für die Wirksamkeit empfangsbedürftiger Willenserklärungen bei der Begründung, Gestaltung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genügt wird.

 

Rz. 2

Für die Beurteilung der Funktionsäquivalenz, also die gleichwertige Erfüllung der Schriftformzwecke, kommt es darauf an, inwieweit die Funktionen der Schriftform den elektronischen Formen gleichermaßen zukommen. Gegenstand des Vergleichs sind vor allem die elektronische Form nach § 126a BGB und die Textform nach § 126b BGB. Da sich die Funktionen aus den Merkmalen der jeweiligen Formvorschrift ergeben, werden im folgenden Text zunächst die Ausgestaltung der Formen und sodann ihre Funktionen beschrieben.

II. Grundsatz der Formfreiheit

 

Rz. 3

Für den Abschluss des Arbeitsvertrages gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Der Arbeitsvertrag kann grundsätzlich wirksam mündlich, schriftlich, ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden. Die nachfolgend dargestellten Ausnahmen vom Grundsatz der Formfreiheit bestehen in den Regelungen des Formerfordernisses durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder sonstiger Vereinbarung.

III. Formfunktion und Formerfordernis

 

Rz. 4

Die wirksame empfangsbedürftige Willenserklärung ist Bestandteil der verbindlichen Begründung, Gestaltung und Auflösung arbeitsrechtlich bedeutsamer Rechtsbeziehungen. Durch die Fixierung des Erklärungsinhalts in einer gegenständlichen Form werden verschiedene Formfunktionen wahrgenommen:

Information,
Identität des Ausstellers,
Abschluss,
Präzisierung bzw. Klarstellung,
Beweis,
Signal- bzw. Hinweisfunktion,
Warnung,
Ausschluss spontaner Erklärungen.
 

Rz. 5

Die Anordnung eines Formerfordernisses ist wesentlich durch die Qualität der Rechtsfolgen, die an die Erklärung geknüpft sind, bedingt. Je gewichtiger sie ausfallen, desto eher spricht dies für eine höhere Formstrenge.

 

Rz. 6

Das Formerfordernis einer Willenserklärung kann erfüllt werden durch

Schriftform, § 126 Abs. 1 und 2 BGB,
notarielle Beurkundung, §§ 126 Abs. 4, 128 BGB,
elektronische Form, §§ 126 Abs. 3, 126a BGB,
Textform, § 126b BGB und
protokollierten Vergleich, § 127a BGB.
 

Rz. 7

Im Arbeitsrecht folgen Formerfordernisse aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Dienstvereinbarung oder Arbeitsvertrag, § 127 BGB.

 

Rz. 8

Das jeweilige konstitutive Formerfordernis bedingt seinerseits den formgerechten Zugang der empfangsbedürftigen Willenserklärung. Der Zugang im Rechtssinne gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB liegt tatsächlich vor, wenn die Willenserklärung so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.[1]

B. Schriftform, Textform und elektronische Form

I. Schriftform nach § 126 BGB und ihre Funktionen

1. Voraussetzungen der Schriftform

 

Rz. 9

Die häufigste im Arbeitsverhältnis angeordnete Form ist die Schriftform. Nach § 126 Abs. 1 und 2 BGB muss die jeweilige formbedürftige Erklärung in einer Urkunde niedergelegt werden. "Urkunde" ist die schriftlich verkörperte Willenserklärung in Gestalt einer Sache (in der Regel eines Schriftstückes), die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und den Aussteller erkennen lässt. Sie muss den Inhalt des Rechtsgeschäfts durch Schriftzeichen darstellen und das gesamte Rechtsgeschäft, soweit es formbedürftig ist, vollständig enthalten. Die Verweisung auf mündliche Abreden ist nicht ausreichend. Nehmen die Parteien Bestimmungen, die wesentliche Bestandteile des Vertrages sein sollen, nicht in den Vertrag selbst auf, sondern lagern sie diese in andere Schriftstücke z.B. als Anlage aus, müssen sie zur Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dies kann durch eine körperliche Verbindung, aber auch durch Verweisung im Vertrag sowie Unterzeichnung der Parteien auf jedem Blatt der Anlage geschehen.[2]

 

Rz. 10

Ist die Erklärung von mehreren Personen abzugeben (z.B. mehrere Arbeitgeber, die Gesellschafter einer GbR sind), so muss die Unterschrift jedes Einzelnen vorliegen oder eine entsprechende Vertretungsbefugnis offen gelegt werden.[3]

 

Rz. 11

Die Urkunde ist eigenhändig zu unterschreiben. Die Schriftform ist auch dann gewahrt, wenn dem Erklärungsempfänger die Urkunde lediglich zum Durchlesen überlassen wird; ob er das Schriftstück tatsächlich liest, ist unerheblich.[4]

 

Rz. 12

Die Schriftform wird nach §§ 126 Abs. 4, 128 BGB auch durch notarielle Beurkundung ersetzt sowie nach § 127a BGB durch ordnungsgemäß protokollierten Prozessvergleich (vgl. §§ 160 ff. ZPO). Letztere Variante spielt im Arbeitsrecht eine große Rolle, da insbesondere die Auflösung von Arbeitsverhältnissen häufig im Prozess erfolgt. Nach zutreffender Ansicht werden ...

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