Rz. 23

In der Praxis geht es bei Erbenfeststellungsprozessen am häufigsten um die Problembereiche:

Testierfreiheit
Formgültigkeit eines privatschriftlichen Testaments
Formgültigkeit einer notariellen Verfügung von Todes wegen
Testierunfähigkeit wegen Krankheit
Verlust eines privatschriftlichen Testaments
Widerruf einer Verfügung von Todes wegen
Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen
Sittenwidrigkeit einer Verfügung von Todes wegen
Anfechtung der Erbschaftsannahme
Auslegung einer Verfügung von Todes wegen
Zuwendungsverbote nach § 14 HeimG des Bundes bzw. nach den nunmehr geltenden Landes-Heimgesetzen
Rechtswirkungen einer Pflichtteils(straf)klausel.
 

Rz. 24

Im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BVerfG[29] und des BGH[30] zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, wird, weil das deutsche gesetzliche Ehegattenerbrecht güterstandsabhängig ist, auch im Erbenfeststellungsprozess die Frage der Wirksamkeit einer Güterstandsvereinbarung als Vorfrage zu klären sein.

 

Rz. 25

Die Wirksamkeit eines Ehevertrags kann unabhängig von Scheidung in einem Feststellungsprozess gem. § 256 Abs. 1 ZPO geklärt werden.[31]

[29] BVerfG NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = FuR 2001, 301 = FF 2001, 128 = DNotZ 2001, 708 = MittBayNot 2001, 485 = ZNotP 2003, 410 = DNotI-Report 2001, 142.
[30] BGHZ 158, 81 = NJW 2004, 930 = FamRZ 2004, 601 m. Anm. Borth = ZNotP 2004, 157 = BGHR 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FPR 2004, 209 = FuR 2004, 119 = FF 2004, 79 = RhNotZ 2004, 150 = NotBZ 2004, 152 = MDR 2004, 573 = JuS 2004, 539. Bestätigt durch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 110/99. Zu den Überlegungen für die Praxis vgl. Bergschneider, FamRZ 2004, 1757. Und weitere Bestätigung: BGH ZErb 2005, 33 = DNotI-Report 2005, 70; BGH FamRZ 2005, 1444 (sehr lesenswert!) m. Anm. Bergschneider; BGH FamRZ 2005, 1449; BGHR 2006, 1369; BGH NJW 2006, 2331 = DNotZ 2006, 863 = ZErb 2006, 249 = FamRZ 2006, 1097 m. Anm. Bergschneider.
[31] OLG Düsseldorf OLGR 2004, 505 = NJW-RR 2005, 1 = FamRZ 2005, 282; Grziwotz, FamRB 2004, 381. Vgl. ausführlich hierzu Manderscheid, ZFE 2005, 76. Vorher schon die Feststellungsklage grundsätzlich für zulässig haltend: BGH FamRZ 2004, 691. Zu Verfahrensstrategien bei der Geltendmachung der Sittenwidrigkeit von Eheverträgen u.a. im Wege der Zwischenfeststellungsklage vgl. Kogel, FamRB 2006, 117.

I. Ernsthaftigkeit des Testierwillens

 

Rz. 26

Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte, d.h. ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Zweifel an einem endgültigen Testierwillen können sich u.a. aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung und einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Bei solchen Zweifeln ist stets zu prüfen, ob es sich nicht lediglich um einen Testamentsentwurf handelt.[32]

II. Testierfreiheit

1. Allgemeines

 

Rz. 27

Von der Testierfähigkeit zu unterscheiden ist die Testierfreiheit des Erblassers. Diese kann z.B. dann eingeschränkt sein, wenn sich der Erblasser bereits in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament gebunden hat. Bei Vorliegen einer solchen bindenden Verfügung von Todes wegen sind alle späteren Verfügungen unwirksam, wenn sie der früheren widersprechen. Beim Erbvertrag regelt dies § 2289 Abs. 1 BGB, beim gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB i.V.m. einer analogen Anwendung von § 2289 BGB.[33] Für die eingetragene Lebenspartnerschaft gilt das Recht des gemeinschaftlichen Testaments entsprechend, § 10 LPartG. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017[34] zum 1.10.2017 sind gleichgeschlechtliche Partner Eheleuten gleichgestellt.

 

Hinweis

Bezüglich des Zeitpunkts des Eintritts der Bindung von Todes wegen besteht ein elementarer Unterschied zwischen einem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament einerseits und einem Erbvertrag andererseits: Solange beide Eheleute leben, kann ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament nicht bindend sein; dies ergibt sich aus dem einseitigen Widerrufsrecht des § 2271 Abs. 1 BGB; eine anderslautende Regelung wäre gem. § 2302 BGB nichtig. Anders beim Erbvertrag: Hier tritt mit Abschluss des Beurkundungsvorganges nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" sofort eine Bindung ein, und zwar beim zweiseitigen Erbvertrag für jeden Erblasser.

[33] BGH ZErb 2016, 236 = ErbR 2016, 505 = FamRZ 2016, 1260 = NJW 2016, 2566 = ZEV 2016, 442;

BGHZ 82, 274; OLG Stuttgart ZEV 2019, 216.

[34] BGBl I 2017, 2787.

2. Testierfreiheit im Einzelnen

 

Rz. 28

Hat der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen hinterlassen, so ist zunächst zu klären, ob er insoweit noch frei war in seiner Testiermöglichkeit oder ob dem ein Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament, das er mit seinem vorverstorbenen Ehegatten/eingetragenem Lebenspartner errichtet hatte, entgegenstand. Leben noch bei...

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