Entscheidungsstichwort (Thema)

Rangfolge verschiedener Unterhaltstatbestände bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen teilt der Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt den Rang des Elementarunterhalts, soweit die Unterhaltspflicht ehebedingte Nachteile ausgleichen soll.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 242

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.07.2002; Aktenzeichen 5 UF 283/01)

AG Mönchengladbach-Rheydt

 

Tenor

Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des 5. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf v. 31.7.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das OLG zurückverwiesen.

Wert: 1.200 EUR.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über nachehelichen Altersvorsorgeunterhalt.

Der 1954 geborene Antragsteller und die 1961 geborene Antragsgegnerin schlossen am 15.6.1989 miteinander die Ehe, aus der zwei Kinder, geboren 1994 und 1991, hervorgegangen sind. Die Ehe wurde durch Verbundurteil des AG - FamG - v. 6.11.2001 geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 21.3.2002).

Vor der Eheschließung schlossen die Parteien am 15.6.1989 einen notariellen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung vereinbarten und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf Unterhalt verzichteten. In dem Vertrag heißt es u.a.: "Der Notar ... hat insb. angeregt, den Unterhaltsverzicht unter eine auflösende Bedingung für den Fall zu stellen, dass Kinder aus der Ehe hervorgehen. Wir wünschen eine solche Bedingung nicht und versichern beide, dass die vorstehenden Vereinbarungen von uns wohl überlegt und aus freien Stücken getroffen sind." Der Versorgungsausgleich sollte demgegenüber uneingeschränkt durchgeführt werden.

Das AG hat den Antragsteller im Verbund lediglich zur Zahlung eines laufenden Unterhalts an die Antragsgegnerin gem. § 1570 BGB in Höhe des notwendigen Eigenbedarfs (Existenzminimum) verurteilt; diesen hat es mit 1.425 DM (= 728,60 EUR; Düsseldorfer Tabelle Stand 1.7.2002 B V 2) angenommen. Die weiter gehende, auch auf die Zuerkennung von Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt gerichtete Klage hat es abgewiesen. Mit der Berufung hat die Antragsgegnerin - unter teilweiser Beschränkung ihrer erstinstanzlichen Anträge - verlangt, den Antragsteller über den ihr vom AG zuerkannten Elementarunterhalt hinaus zur Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. (nunmehr) monatlich 106,30 EUR sowie von Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. (nunmehr) monatlich 100 EUR zu verurteilen. Das OLG hat den Antragsteller auf dessen Anerkenntnis verurteilt, an die Antragsgegnerin Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. monatlich 106,30 EUR, zusammen mit dem Elementarunterhalt also monatlich 834,90 EUR zu zahlen. Den Antrag auf Altersvorsorgeunterhalt hat es abgewiesen und die weiter gehende Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren auf Altersvorsorgeunterhalt weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat im Hinblick auf die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangene Rechtsprechung des Senats zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 ff.) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

1. Das OLG geht davon aus, dass der Ehevertrag wirksam zu Stande gekommen ist. Ungleiche Verhandlungspositionen seien nicht erkennbar. Beide Parteien seien bei Vertragsabschluss berufstätig gewesen und hätten dies auch weiter sein wollen. Die Antragsgegnerin sei nicht schwanger gewesen. Beide Parteien hätten keine Kinder gewollt, sondern die Absicht verfolgt, in ihrem Beruf Karriere zu machen. Die Antragsgegnerin habe den Vertragsentwurf einige Tage vor der Heirat erhalten und - nach ihrer eigenen Darstellung - auch überflogen. Sie habe mithin hinreichend Zeit gehabt, sich den Vertragsinhalt zu überlegen, so dass ihre Behauptung, der Antragsteller habe ihre Zwangslage ausgenutzt, nicht nachvollziehbar sei. Insoweit halten die Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung Stand.

a) Der Senat hat in seiner Entscheidung v. 11.2.2004 (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 ff.) Grundsätze für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen (Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB, Ausübungskontrolle nach § 242 BGB) aufgestellt und in seiner heutigen Entscheidung (- XII ZR 296/01, z.V.b.) noch einmal ausführlich dargelegt. Danach hat der Tatrichter zunächst - im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle - zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Vorschriften treten. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insb. also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die eventuell vorhandenen oder erhofften Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen.

b) Diesen Grundsätzen trägt die angefochtene Entscheidung Rechnung:

aa) Das OLG geht zu Recht davon aus, dass Umstände, die eine Zwangslage der Antragsgegnerin begründet oder sie gehindert hätten, auf Abschluss oder Inhalt des Ehevertrags Einfluss zu nehmen, weder von ihr vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

bb) Auch der Inhalt der von den Parteien getroffenen Vereinbarung vermag den Vorwurf eines Verstoßes gegen die guten Sitten nicht zu begründen. Wie der Senat dargelegt hat, ist bei der gebotenen Ausrichtung am Kernbereich der Scheidungsfolgen für deren Disponibilität eine Rangabstufung zu beachten, die sich in erster Linie danach bemisst, welche Bedeutung die einzelnen Scheidungsfolgen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.

Zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört vorrangig der Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Dessen vertraglicher Ausschluss kann hier jedoch unberücksichtigt bleiben, da beide Parteien im - für die Wirksamkeitskontrolle maßgebenden - Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Kinder wollten. Dem Unterhalt wegen Alters oder Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB), den die Parteien hier ebenfalls ausgeschlossen haben, misst das Gesetz zwar als Ausdruck nachehelicher Solidarität besondere Bedeutung bei. Das schließt, wie der Senat ausgeführt hat (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [605 f.]), eine vertragliche Disposition über diese Unterhaltsansprüche jedoch nicht schlechthin aus. Da die Parteien im Zeitpunkt der Eheschließung berufstätig und damit auch gegen die Risiken von Alter oder Krankheit abgesichert waren und jeder von ihnen auch erwerbstätig bleiben wollte, war es jedenfalls nicht sittenwidrig, die wechselseitige unterhaltsrechtliche Einstandspflicht hierfür abzubedingen (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [607]). Insoweit ist auch der Verzicht auf Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt als Bestandteile des Lebensbedarfs (§ 1578 Abs. 2, 3 BGB) im Rahmen der Prüfung nach § 138 BGB unbedenklich. Der von den Parteien vereinbarte Verzicht auf Unterhalt für den Fall der Arbeitslosigkeit, auf Aufstockungsunterhalt und auf Billigkeitsunterhalt (§§ 1573 Abs. 2, 1576 BGB) rechtfertigt, wie der Senat dargelegt hat, schon nach der Bedeutung dieser Unterhaltstatbestände im System des Scheidungsfolgenrechts das Verdikt der Sittenwidrigkeit regelmäßig nicht (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [607]). Für den Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes gilt nichts anderes (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601).

2. Nach Auffassung des OLG ist es dem Antragsteller auch nach § 242 BGB nicht verwehrt, sich ggü. dem Verlangen der Antragsgegnerin auf Altersvorsorgeunterhalt auf den vereinbarten Unterhaltsausschluss zu berufen; denn insoweit werde der grundrechtlich geschützte Anspruch der gemeinsamen Kinder auf Betreuung durch einen Elternteil nicht tangiert. Gerade weil der auf § 1570 BGB gestützte Anspruch der erst 41 Jahre alten Antragsgegnerin auf Betreuungsunterhalt zeitlich begrenzt sei, könne diese ihre Altersversorgung noch weiter auf- und ausbauen. Deshalb sei nicht zu besorgen, dass die Antragsgegnerin bereits jetzt gezwungen sei, unter Vernachlässigung ihrer Kinder einer Erwerbstätigkeit zur Erlangung von Versorgungsanrechten nachzugehen oder Beiträge zu ihrer Altersversorgung der Haushaltskasse zu entnehmen.

Diese Ausführungen begegnen Bedenken.

a) Ergibt die Wirksamkeitskontrolle, dass ein Vertrag Bestand hat, muss der Tatrichter - im Rahmen der Ausübungskontrolle - prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall ggü. einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese durch den Vertrag wirksam abbedungen sei (§ 242 BGB). Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr - im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft - aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist. Das kann insb. dann der Fall sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zu Grunde liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [606]).

aa) Eine grundlegende Abweichung der tatsächlichen Lebenssituation von den Lebensumständen, wie sie sich die Parteien beim Vertragschluss vorgestellt hatten, liegt hier vor. Nach den damaligen Planungen der Ehegatten wollten diese keine Kinder; sie wollten vielmehr nach den Feststellungen des OLG "beide berufstätig sein und Karriere machen". Mit der Geburt der Kinder hat sich dieser geplante Lebenszuschnitt grundlegend geändert. Der vom OLG betonte Umstand, dass die Parteien - entgegen der Anregung des Notars - ihren Unterhaltsverzicht nicht unter eine auflösende Bedingung für den Fall, dass Kinder aus der Ehe hervorgehen sollten, gestellt haben, ergibt nichts Gegenteiliges.

bb) Allerdings lässt nicht jede Abweichung der späteren tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglich zu Grunde gelegten Lebensplanung es als unzumutbar erscheinen, am ehevertraglichen Ausschluss von Scheidungsfolgen festzuhalten, mag dieser Ausschluss infolge der veränderten Umstände auch eine einseitige Lastenverteilung unter den Ehegatten bewirken. Die Frage, ob eine solche einseitige Lastenverteilung nach Treu und Glauben hinnehmbar ist, kann vielmehr nur unter Berücksichtigung der Rangordnung der Scheidungsfolgen beantwortet werden: Je höherrangig die vertraglich ausgeschlossene und nunmehr dennoch geltend gemachte Scheidungsfolge ist, umso schwer wiegender müssen die Gründe sein, die - unter Berücksichtigung des inzwischen einvernehmlich verwirklichten tatsächlichen Ehezuschnitts - für ihren Ausschluss sprechen (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [606]).

Der Betreuungsunterhalt gehört, wie dargelegt, zum Kernbereich der Scheidungsfolgen. Dieser besondere Rang kommt dabei nicht nur dem Teil des Betreuungsunterhalts zu, der als Elementarunterhalt geschuldet wird; er gilt auch für die Bestandteile des Betreuungsunterhalts, die den betreuenden Elternteil gegen die Risiken von Krankheit oder Alter sichern sollen. Der Senat hat zwar in seiner Entscheidung v. 11.2.2004 (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 m. Anm. Grziwotz = FamRZ 2004, 601 [605]) in der Rangabstufung der Unterhaltstatbestände dem Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt eine eher nachrangige Bedeutung zugemessen. Dieser Nachrang kann aber dort nicht zum Zuge kommen, wo die Unterhaltspflicht ehebedingte Nachteile ausgleichen soll. Das Unterhaltsrecht will in solchen Fällen die Risiken, die ein Ehegatte im Rahmen der gemeinsamen Lebensplanung auf sich genommen hat und die sich mit der Trennung und Scheidung der Ehegatten verwirklichen, gleichmäßig unter den Ehegatten verteilen. Eine solche gleichmäßige Lastenverteilung kann sich nicht auf den Elementarunterhalt beschränken und den Krankheits- und Altersvorsorgeunterhalt aussparen.

So liegen die Dinge auch hier:

Der Betreuungsunterhalt wird dem betreuenden Elternteil nicht nur um seiner selbst, sondern auch um der gemeinsamen Kinder willen geschuldet, deren Betreuung dem Elternteil durch den Unterhalt ermöglicht werden soll. Damit stellt sich der Betreuungsunterhalt zugleich als der typische Fall des Ausgleichs ehebedingter Nachteile dar: Die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder ist die gemeinsame Aufgabe der Ehegatten; wird diese Aufgabe nur noch von einem Ehegatten wahrgenommen, muss dieser wirtschaftlich so gestellt werden, dass ihm aus der Übernahme dieser Aufgabe keine Nachteile entstehen. Dies wird zum einen dadurch bewirkt, dass der Lebensunterhalt des Ehegatten, soweit er auf Grund der Betreuung zu eigener Berufstätigkeit nicht in der Lage ist, vom anderen, berufstätigen Ehegatten im Wege des geschuldeten Elementarunterhalts bestritten wird. Zum andern wird durch den Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt sichergestellt, dass der die Kinder betreuende Ehegatte auch während der Zeit der Kinderbetreuung seine Krankenversorgung aufrechterhalten und seine Altersversorgung weiter auf- oder ausbauen kann. Beide Teile des Betreuungsunterhalts - Elementar- wie Vorsorgeunterhalt - dienen dabei gleichermaßen dem Ausgleich ehebedingter Nachteile; beide teilen deshalb auch den besonderen Vorrang, der dem Betreuungsunterhalt in der Rangordnung der Scheidungsfolgen zukommt.

Der vom OLG betonte Umstand, dass der - hier allein im Streit stehende - Altersvorsorgeunterhalt den zu betreuenden Kindern nicht unmittelbar zugute kommt, sondern sich erst im Versorgungsfall - regelmäßig also erst lange Zeit nach der Kinderbetreuung - und damit unmittelbar nur für den betreuenden Ehegatten auswirkt, steht nicht entgegen. Für den Rang des Betreuungsunterhalts ist es ohne Belang, dass die zu betreuenden Kinder selbst materiell nicht an dem Altersvorsorgeunterhalt partizipieren. Maßgebend ist vielmehr allein, dass erst der Betreuungsunterhalt den Elternteil in die Lage versetzt, der Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder nachzugehen, ohne dadurch gegenwärtig oder künftig wirtschaftliche Einbußen zu erleiden, die nicht auch der andere Ehegatte mittragen müsste. Dies gilt aber für den Elementarunterhalt wie für den Krankheits- und Altersvorsorgeunterhalt in gleicher Weise.

cc) Der Antragsteller kann sich deshalb ggü. dem Verlangen der Antragsgegnerin auf Altervorsorgeunterhalt (als Teil des Betreuungsunterhalts) auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht nur berufen, wenn besondere Gründe diesen Verzicht auch angesichts der durch die Geburt der Kinder veränderten Lebenssituation der Parteien rechtfertigen. Solche Gründe, deren Gewicht der Bedeutung des Betreuungsunterhalts als einem Kernstück des Scheidungsfolgenrechts entsprechen müsste, sind hier indes nicht ersichtlich. Der Antragsgegnerin ist es auf Grund der Betreuung ihrer im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils acht und elf Jahre alten Kinder nicht möglich, eine Altersversorgung so auf- und auszubauen, wie es ihr im Falle der Berufstätigkeit möglich wäre und wie es auch dem berufstätigen Antragsteller möglich ist. Es erscheint deshalb treuwidrig, wenn der Antragsteller sich dennoch in Ansehung des für die Zeit der Kinderbetreuung verlangten Altersvorsorgeunterhalts auf den vereinbarten Unterhaltsauschluss stützt und damit die wirtschaftlichen Nachteile, die mit der Kinderbetreuung und dem damit einhergehenden Berufsverzicht verbunden sind, einseitig auf die Antragstellerin abwälzt. Der vom OLG betonte Umstand, dass die Antragstellerin erst 41 Jahre alt ist und deshalb nach der Zeit der Betreuungsbedürftigkeit der gemeinsamen Kinder wieder zur Berufstätigkeit und damit auch zur Begründung von Versorgungsanrechten in der Lage sein dürfte, führt zu keinem anderen Ergebnis; er rechtfertigt es insb. nicht, die Antragsgegnerin dauerhaft mit der auf die Zeit der Kinderbetreuung entfallenden "Versorgungslücke" zu belasten.

b) Der angemessene Ausgleich des ehebedingten Nachteils, dem sich der Antragsteller somit nach § 242 BGB nicht entziehen darf, besteht indes nicht in einem Altersvorsorgeunterhalt, dessen Höhe sich an den ehelichen Lebensverhältnissen orientiert.

Treu und Glauben entspricht vielmehr eine Unterhaltsbemessung, die sich auf den Ausgleich des konkreten Nachteils beschränkt, den der betreuende Elternteil als Folge seines zeitweiligen Verzichts auf eine eigene Berufstätigkeit zu tragen hat. Eine solche Handhabung, die den betreuenden Ehegatten wirtschaftlich nicht besser stellt als er sich bei Weiterführung seiner Erwerbstätigkeit ohne die Kinderbetreuung gestanden hätte, passt den Ehevertrag an den mutmaßlichen, den geänderten Umständen Rechnung tragenden Parteiwillen an. Mit einem wechselseitigen ehevertraglichen Unterhaltsverzicht geben die Eheleute regelmäßig zu erkennen, dass sie keine Teilhabe an dem vom jeweils anderen Ehegatten erwirtschafteten Erfolg beanspruchen wollen; jeder Ehegatte soll vielmehr - auch im Falle der Scheidung - das Einkommen behalten, das ihm auf Grund seiner eigenen beruflichen Qualifikation und Tüchtigkeit zufließt (BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - XII ZB 57/03, BGHReport 2005, 246 = FamRZ 2005, 185 [187] zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs). Diesem mit dem Ehevertrag verfolgten Anliegen ist bei der Vertragsanpassung jedenfalls insoweit weiterhin Rechnung zu tragen, als die veränderten Umstände dem nicht entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien zwar auf den Versorgungsausgleich nicht verzichtet und damit zu erkennen gegeben, dass im Scheidungsfall eine Teilhabe an dem während der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen stattfinden solle. Mit ihrem generellen Unterhaltsverzicht haben die Parteien aber dennoch zugleich klargestellt, dass für den nachehelichen Versorgungserwerb jeder Ehegatte auf sich gestellt sein solle. Auch in Ansehung der Altersvorsorge lag also für die Zeit nach der Ehe eine wechselseitige Einkommenspartizipation und damit auch eine Nivellierung von Einkommensunterschieden nicht in der Absicht der Parteien. Dies hatten die Parteien allerdings in der Erwartung vereinbart, dass beide Parteien auch in der Ehe weiter erwerbstätig sein und auf Grund dieser Erwerbstätigkeit jeweils eine ihrer Ausbildung und ihrer Tätigkeit entsprechende angemessene Altersversorgung erwerben würden. Wenn sich diese Erwartung - wie hier bei der Antragsgegnerin - auf Grund der Kinderbetreuung und dem damit eingehenden Berufsverzicht für die nächste Zukunft nicht verwirklicht, besteht jedenfalls Anlass, künftigen Versorgungsdefiziten im Wege des Altersvorsorgeunterhalts zu begegnen. Maßstab für den Ausgleich des ehebedingten Versorgungsnachteils ist dabei grundsätzlich der Betrag, den der kinderbetreuende Ehegatte ohne die Kinderbetreuung - bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit und unter Einsatz des ihm daraus zufließenden Einkommens, ggf. unter Einbeziehung entsprechender Beiträge seines Arbeitgebers - für den Auf- und Ausbau seiner Altersversorgung hätte verwenden können. Hierzu hat das OLG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

III.

Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Zwar ergibt sich der von der Antragsgegnerin nur im Umfang von 100 EUR verfolgte Altersvorsorgeunterhalt - unter Anwendung der Bremer Tabelle - bereits auf der Grundlage des Mindestbedarfs, so dass es einer konkreten Feststellung des ehebedingten Versorgungsbedarfs im vorliegenden Fall nicht bedarf. Es fehlen jedoch Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen, damit es diese Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1386083

NJW 2005, 2391

BGHR 2005, 1191

FamRZ 2005, 1449

FuR 2005, 410

DNotI-Report 2005, 133

MittBayNot 2006, 49

ZAP 2005, 1065

DNotZ 2005, 857

MDR 2005, 1355

FamRB 2005, 250

NJW-Spezial 2005, 489

NotBZ 2005, 336

ZFE 2005, 330

ZNotP 2005, 389

FK 2005, 148

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