Rz. 71

Die Begriffe "Vorerbe" und "Nacherbe" in einem privatschriftlichen Testament lassen u.U. trotzdem eine Auslegung für Vollerbschaft und Schlusserbenstellung zu.[96]

Setzen sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben ein und bestimmen zugleich, dass Nacherben nach dem Tod des Letztversterbenden ihre Kinder sein sollen, ist von der Anordnung einer Voll- und Schlusserbfolge auszugehen, wenn die Ehegatten das beiderseitige Vermögen als eine Einheit ansehen und ausschließen wollen, dass bezüglich ihrer jeweiligen Vermögen eine unterschiedliche Rechtsstellung des Überlebenden und bei dessen Tod die Möglichkeit einer erneuten Trennung beider Vermögensmassen entsteht.[97]

Die Verfügungen können untereinander wechselbezüglich sein, müssen es aber nicht.

Bei der Trennungslösung sind die Abkömmlinge – meistens die Kinder – zu Nacherben eingesetzt. Damit können sie ab dem Erbfall die Erbschaft gem. § 2306 Abs. 1 BGB ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen, § 2142 Abs. 1 BGB.

 

Rz. 72

Sind durch letztwillige Verfügung die Kinder eines Erblassers zu Nacherben und deren Abkömmlinge zu Ersatznacherben berufen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Ersatznacherbfolge nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen des Erblassers auch für den Fall gelten soll, dass die Nacherben ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Im Zweifel sind die Abkömmlinge der Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen.[98] Sonst würde der Stamm des Ausschlagenden einerseits den Pflichtteil erhalten und zusätzlich würden die Abkömmlinge Nacherben werden. Damit wäre dieser Stamm doppelt berücksichtigt.

[96] BGH NJW 1983, 278.
[97] KG, Urt. v. 19.1.2012 – 8 U 171/10, NotBZ 2012, 174, nicht rkr.; Revision beim BGH: IV ZR 61/12.

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