Leitsatz (amtlich)

Setzen sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben ein und bestimmen zugleich, dass Nacherben nach dem Tod des Letztversterbenden ihre Kinder sein sollen, ist von der Anordnung einer Voll- und Schlusserbfolge auszugehen, wenn die Ehegatten das beiderseitige Vermögen als eine Einheit ansehen und ausschließen wollen, dass bezüglich ihrer jeweiligen Vermögen eine unterschiedliche Rechtsstellung des Überlebenden und bei dessen Tod die Möglichkeit einer erneuten Trennung beider Vermögensmassen entsteht.

Gemäß § 2091 BGB sind mehrere Erben zu gleichen Teilen eingesetzt, wenn ihre Erbteile nicht bestimmt sind und sich aus §§ 2066 bis 2069 BGB nicht ein anderes ergibt. § 2091 BGB ist jedoch erst dann maßgeblich, wenn andere Auslegungswege nicht zu einem klaren Ergebnis führen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.10.2010; Aktenzeichen 84 O 72/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.10.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 84 des LG Berlin abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 6.10.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 84 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das LG habe bei der Auslegung des Schriftstücks vom 14.9.1978 (der Erbvertrag) den Willen der Erblasserin, Frau ...missachtet.

Völlig unerheblich sei, ob es nahe gelegen hätte, eine dem Letztversterbenden einzuräumende Abänderungsbefugnis in das Testament hineinzunehmen.

Es sei auch unerheblich, ob das LG den Passus in dem Erbvertrag, wonach diese Vereinbarung nicht in das Testament eingebracht werden soll, um dem Überlebenden Veränderungen zu ermöglichen, überzeugend finde.

Der Wille zur Geheimhaltung habe darin seinen Grund gehabt, dass der frühere Ehemann der Beklagten das Grundstück ...anteilig an sich habe bringen wollen und deshalb nicht erfahren sollte, dass die Beklagte das Grundstück bekommen würde. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass der Kläger ständig über seine Verhältnisse gelebt habe und die Eltern deshalb damit hätten rechnen müssen, dass er nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil fordern würde, wenn er gewusst hätte, dass der Überlebende das Recht hatte, die Erbeinsetzung zu ändern.

Letztlich sei es unerheblich, ob es einen vernünftigen Grund für die Geheimhaltung der Abänderungsbefugnis gegeben habe.

Auch wenn die an die Schlusserben gerichtete Bitte der Erblasser unerheblich gewesen sein sollte, könne im Umkehrschluss nicht geschlossen werden, dass der Erbvertrag keine Abänderungsbefugnis für den Letztversterbenden enthalte. Die Bitte sei ja im Übrigen durchaus gerechtfertigt gewesen.

Die gewünschte Geheimhaltung und die fehlende Offenlegung des Erbvertrages sprächen nicht gegen die Einräumung einer Abänderungsbefugnis.

Der Umstand, dass Frau ...den Erbvertrag nicht mit dem Testament zusammen habe eröffnen lassen, führe nicht dazu, dass die dort enthaltene Abänderungsbefugnis unwirksam sei. Frau ...habe die Eröffnung nachgeholt, nachdem sie von dem Notar ...auf dieses Erfordernis hingewiesen worden sei.

Der Kläger habe arglistig gehandelt und es liege ein Fall des "venire contra factum proprium" vor, weil der Kläger in Kenntnis des Erbvertrages sich das Grundstück ...habe übertragen lassen.

Frau ...habe ein erhebliches Eigeninteresse daran gehabt, die Grundstücke der Beklagten zu übertragen. Der Kläger habe sich nicht mehr um sie gekümmert und die Beklagte sei ihre einzige Stütze gewesen. Die Beklagte habe die Tischlerei des Vaters bis zum Verkauf alleine weiter geführt und damit den Lebensunterhalt der Mutter gesichert und sie darüber hinaus bis zu ihrem Todes betreut. Der Kläger habe nichts getan, sondern im Gegenteil die Mutter beschimpft, bedroht und lächerlich gemacht.

Der Kläger handle arglistig, wenn er die Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken ...begehre. Die Frage der Auseinandersetzung komme erst dann zum Tragen, wenn die Bewertung der zu verteilenden Grundstücke feststehe.

Dem LG sei nicht zu folgen, soweit es in der angefochtenen Entscheidung ausführe, dass sich die Beklagte nicht rechtstreu verhalte, soweit sie bezüglich des Grundstückes ...Klageabweisung beantragt habe und zugleich einwende, dass der Kläger arglistig handele, wenn er Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an den Grundstücken ...und ...verlange.

Das LG habe sich mit den letzten beiden Absätzen des Erbvertrages nicht auseinander gesetzt. Diese Passagen belegten aber eindeutig, dass Frau ...befugt sein sollte, das gemeinschaftliche Testament abzuändern.

Das LG habe bei seinen Entscheidungen verkann...

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