Rz. 88

Um unvorhergesehenen Veränderungen noch Rechnung tragen zu können, könnten die Ehegatten bzw. Lebenspartner deshalb bspw. folgende Klausel (sog. Freistellungsklausel) in das Testament aufnehmen:

 

Freistellungsklausel (Beispiel 1)

"Der Überlebende ist befugt, noch Testamentsvollstreckung mit beliebigem Inhalt anzuordnen."

Hätte das gemeinschaftliche Testament im obigen Beispielsfall diese Möglichkeit offengelassen, dann hätte F die Testamentsvollstreckung noch wirksam einseitig anordnen können.

 

Rz. 89

Der Testamentszusatz, dass ein bestimmter Nachlassgegenstand nicht dem Nachlassvermögen der gegenseitigen Erbeinsetzung und der gemeinsam verfügten Schlusserbeneinsetzung unterliegt, kann ein Indiz dafür sein, dass hinsichtlich des übrigen Vermögens eine Bindung gewollt war.[116]

 

Rz. 90

 

Freistellungsklausel (Beispiel 2)

"Der Überlebende ist befugt, die Höhe der Erbquoten unserer Abkömmlinge bis zur Höhe der jeweiligen Pflichtteilsquote zu ändern."

In diesem Falle könnte der Überlebende auf eintretende Änderungen noch testamentarisch reagieren, bspw. bei eintretender Bedürftigkeit eines Abkömmlings.

 

Rz. 91

Setzen Ehegatten in einem Erbvertrag ihre beiden Kinder wechselseitig bindend zu gleichen Teilen als Erben ein und soll andererseits der überlebende Ehegatte befugt sein, die Anordnung insbesondere durch eine anderweitige Festlegung der Erbquoten zu ändern, so enthält dies ohne besondere Anhaltspunkte im Willen des Erblassers nicht die Ermächtigung des letztversterbenden Ehegatten, die Erbquote eines der beiden Kinder auf null zu setzen.[117]

 

Hinweis

Ändert der Überlebende die Erbquoten der Kinder in der Weise, dass sie nicht mehr zu gleichen Teilen Erben werden, so wären evtl. Vorempfänge jetzt nicht mehr kraft Gesetzes auszugleichen, weil bei einer testamentarischen Erbfolge gem. § 2052 BGB es darauf ankommt, ob die Erbteile den gesetzlichen entsprechen. Soll trotzdem eine Ausgleichung stattfinden, ist dies ausdrücklich anzuordnen.

 

Rz. 92

Hypothetische Testamentsauslegung:

Der überlebende Ehegatte ist jedoch dann zu einer neuen Verfügung befugt, wenn und soweit im Rahmen der ergänzenden Testamentsauslegung eine entsprechende Abänderungsbefugnis festgestellt werden kann. Hierbei ist sowohl hinsichtlich der Annahme als auch des Umfangs der Abänderungsbefugnis ein strenger Maßstab anzulegen.[118]

[117] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.1.2007 – 3 Wx 256/06, OLGR Düsseldorf 2007, 246 = RNotZ 2007, 158 = FamRZ 2007, 769 = ErbR 2007, 93 = ZEV 2007, 275 = DNotZ 2007, 774.
[118] OLG München, Beschl. v. 28.3.2011 – 31 Wx 93/10, FamRZ 2011, 1817 = NJW-RR 2011, 1020 = ZErb 2011, 212; im Anschluss an BayObLG FamRZ 2003, 259.

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