I. Elterliche Sorge/Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgang, Herausgabe, Auskunft gem. § 1686 BGB

1. Gegenstandswert allgemein

a) Kindschaftssachen: selbstständig oder im Verbund

 

Rz. 89

Kindschaftsverfahren kommen außerhalb des Verbundes und einige auch im Verbund (§ 137 Abs. 3 FamFG) vor.

b) Auslegung §§ 44 und 45 FamGKG

 

Rz. 90

Der Wert des selbstständigen Verfahrens ergibt sich aus § 45 FamGKG. Der Wert im Verbund ist in § 44 FamGKG geregelt. § 44 Abs. 2 FamGKG liest sich zunächst so, als würde der Ehescheidungswert erhöht und nicht etwa der Wert der Kindschaftssache festgesetzt. Die Bestimmung ist aber nicht so gemeint.[138] Es wird an den gesamten Verfahrenswert der Ehescheidung angeknüpft, nicht nur an das Einkommen der Parteien (wie beim Versorgungsausgleich). Der Regelwert von 3.000,00 EUR bezieht sich auf die einzelnen Kindschaftssachen und nicht auf den Gesamtbetrag.

[138] BT-Drucks 16/6308, 305 spricht ausdrücklich von einer Regelung des Wertes der Kindschaftssachen in Abs. 2.

c) Mehrere Kinder

 

Rz. 91

Sind mehrere Kinder betroffen, wird sowohl in § 45 als auch in § 44 FamGKG bestimmt, dass die Kindschaftssache auch in diesem Fall nur als ein gebührenrechtlicher Gegenstand zu bewerten ist. Alleine die Anzahl der Kinder führt nicht zu einer Heraufsetzung des Wertes des selbstständigen Verfahrens.[139] Allerdings kann ein höherer Arbeitsaufwand sowohl für das Gericht als auch den Anwalt zu einer Erhöhung des Wertes auf 4.000–5.000 EUR führen.[140] Indikation für einen höheren Arbeitsaufwand sind regelmäßig umfangreiche Sachverständigengutachten oder die Wahrnehmung mehrerer Anhörungstermine.[141]

Spiegelbildlich kommt eine Herabsetzung des Wertes gem. § 45 Abs. 3 FamGKG nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.[142]

[140] KG, Beschl. v. 3.6.2014 – 13 WF 116/14, BeckRS 2014, 14562.
[141] KG FamRZ 2015, 432.
[142] OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.10.2014 – 10 WF 55/14, BeckRS 2015, 02408; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.9.2014 – 8 WF 105/14, BeckRS 2014, 21378 = FuR 2015, 175.

d) Rechenbeispiele

 

Rz. 92

 

Beispiel 1

Die Ehescheidung hat den Wert i.H.v. 3.000,00 EUR, es gibt zwei Kinder, für jedes wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Umgangsrecht im Scheidungsverbund geregelt.

 
Beträgt der Scheidungswert 3.000,00 EUR:    
Ehescheidung   3.000,00 EUR
Aufenthaltsbestimmungsrecht (1 × 20 %)   600,00 EUR
Umgangsrecht (1 × 20 %)   600,00 EUR
Gesamtwert des Verfahrens   4.200,00 EUR
Beträgt dagegen der Scheidungswert z.B. 16.000,00 EUR:  
Ehescheidung   16.000,00 EUR
Aufenthaltsbestimmungsrecht 3.200,00 EUR  
Gekürzt gem. § 45 Abs. 1 FamGKG auf   3.000,00 EUR
Umgangsrecht (1 × 20 %) 3.200,00 EUR  
Gekürzt gem. § 45 Abs. 1 FamGKG auf   3.000,00 EUR
Gesamtwert des Verfahrens   22.000,00 EUR

Ergibt sich, dass die Werte von (hier) je 600,00 EUR bzw. je 3.000,00 EUR nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig sind, kann ein höherer (oder niedrigerer) Wert festgesetzt werden, § 44 Abs. 3 FamGKG.

 

Beispiel 2

In einem selbstständigen Verfahren wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für zwei Kinder und das Umgangsrecht für diese Kinder geregelt.

Wert: 3.000,00 EUR für die elterliche Sorge, weitere 3.000,00 EUR für das Umgangsrecht, jeweils für beide Kinder zusammen (§ 45 Abs. 1 und 2 FamGKG), Erhöhung oder Herabsetzung aus Billigkeitsgründen ist möglich, § 45 Abs. 3 FamGKG.

2. Gleiche Werte für alle Verfahren

 

Rz. 93

§ 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG stellt die übertragung oder Entziehung eines Teils der elterlichen Sorge der übertragung oder Entziehung der ganzen elterlichen Sorge zur Seite. Gemeint ist insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Damit ist klar ausgedrückt, dass kein wertmäßiger Unterschied zwischen der ganzen und einer teilweisen elterlichen Sorge besteht.

 

Rz. 94

Mit der Regelung zu § 45 Abs. 1 Nr. 2 und 3 FamGKG wird das Gleiche ausgedrückt. Alle haben den gleichen bezifferten Wert von 3.000,00 EUR. Die gelegentlich vertretene Meinung, das Umgangsrecht habe grundsätzlich einen geringeren Wert als die elterliche Sorge oder die Herausgabe, ist demgemäß abzulehnen.[143]

[143] Zum alten Recht wie hier Madert/Müller-Rabe/Madert, B III Rn 34; a.A. Lappe, Rn 51 m.w.N.

3. Die Billigkeitsklausel, §§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 3 FamGKG

 

Rz. 95

Die 3.000,00 EUR, die in § 44 Abs. 2 und in § 45 Abs. 1 FamGKG erwähnt werden, sind keine Festwerte. Es handelt sich um Regelwerte. Sie können beim Vorliegen "besonderer Umstände des Einzelfalls" nach oben oder unten geändert werden. Die (einfache) Unbilligkeit genügt für eine Abänderung. Der Anwalt wird gut daran tun, auf diese "besonderen Umstände" zu achten und hinzuweisen. Die Absenkung des Regelwertes ist eine Ausnahme, nachdem der Wert aus sozialen Gründen ohnehin schon sehr niedrig angesetzt ist.[144]

 

Rz. 96

Zu diesen "besonderen Umständen" werden zunächst alle diejenigen Umstände gehören, die schon bisher bei Regelwerten wie auch bei Rahmengebühren heranzuziehen waren: Umfang, Schwierigkeit, Bedeutung der Sache, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien (und der Kinder in diesem Fall), vgl. § 42 Abs. 2, 3 FamGKG. Es muss sich jeweils um "Umstände" handeln, die vom Durchschnitt abweichen. Das KG[145] hat den deutlich überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand als Erhöhungsgrund jedenfalls dann anerkannt, wenn nicht Herabsetzungsgründe entgegenstehen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge