Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Erhöhung des Verfahrenswertes in Sorgerechtssachen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anhebung des Verfahrenswertes erscheint regelmäßig angezeigt, wenn in einem Sorgerechtsverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens geboten ist und das AG die Beteiligten - unabhängig von einer gesonderten Kindesanhörung - in mehr als einem Termin anhört.

 

Normenkette

FamGKG § 45 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen 607 F 6765/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 3.11.2010 wird der Verfahrenswertbeschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 28.10.2010 geändert und der Verfahrenswert erster Instanz wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Aus ihrer Ehe ist das betroffene Kind M., geboren am. 2002, hervorgegangen. Nach der räumlichen Trennung der Eltern am 11.7.2007 lebte M. zunächst bei dem Antragsteller. Im Verfahren 7 F 247/07 SO des AG - Familiengericht - Wennigsen erging am 18.12.2007 ein Beschluss, mit dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. auf die Kindesmutter übertragen wurde. Das Kind wechselte daraufhin in den Haushalt der Kindesmutter, wo es in der Folgezeit lebte. Seit dem 8.11.2010 lebt M. wieder bei dem Antragsteller.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater mit einem am 17.12.2009 beim AG - Familiengericht - Hannover eingegangenen Schriftsatz das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitssorge und das alleinige Entscheidungsrecht in schulischen Angelegenheiten und in solchen der Berufsausbildung für das Kind begehrt.

Das AG hat am 27.1.2010 einen Termin zur Anhörung der Beteiligten durchgeführt, zu dem es die Kindeseltern, ihre Verfahrensbevollmächtigten, das Jugendamt, einen Verfahrensbeistand und eine Dolmetscherin geladen hat. Anschließend hat das AG ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt. Nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens und einer schriftlichen Stellungnahme des Verfahrensbeistandes hat das AG einen weiteren Termin zur Erörterung am 22.9.2010 bestimmt, in dem die beteiligten Eltern jeweils die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich begehrt haben. Am 12.10.2010 ist das betroffene Kind angehört worden. Das AG hat den Beteiligten den wesentlichen Inhalt der Kindesanhörung mitgeteilt, wonach Melissa sich für einen zukünftigen Lebensmittelpunkt bei dem Kindesvater ausgesprochen hat, und Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben. In dieser Zeit kam es zu weiteren Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten, weil M. unentschuldigt im Hort fehlte und weil die Antragsgegnerin M. nicht zu einem vereinbarten Umgangskontakt mit dem Antragsteller brachte. Durch Beschluss vom 28.10.2010 hat das AG die elterliche Sorge für das betroffene Kind auf den Vater übertragen und den Verfahrenswert auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit ihrer Beschwerde, mit der sie eine wesentliche Erhöhung des Verfahrenswertes begehrt.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die form- und fristgerecht von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers offenkundig im eigenen Namen (§ 32 Abs. 2 RVG) eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist - auch in Ansehung von § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG - zulässig. Die Beschwerde hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Der Verfahrenswert beträgt gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG in Kindschaftssachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge betreffen, 3.000 EUR. Sofern dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann nach § 45 Abs. 3 FamGKG ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig ist oder wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das Verfahren sich einfach gestaltet (BT-Drucks. 16/6308, 306). Eine Abweichung vom Festbetrag ist also nur ausnahmsweise geboten, wenn der zu entscheidende Fall hinsichtlich des Arbeitsaufwandes für das Gericht und für die Verfahrensbevollmächtigten erheblich von einer durchschnittlichen Sorgerechtssache abweicht und der Verfahrenswert im Einzelfall zu unvertretbar hohen oder unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führt. Insoweit kann nicht unmittelbar auf die in der Rechtsprechung nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. hierzu OLG Frankfurt - Beschl. v. 4.2.1999 - 1 UF 77/97, NJW-RR 2000, 952), weil an die Stelle des bisherigen Regelwertes ein (relativer) Festwert getreten ist (vgl. Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein-Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl., S. 2037).

Die Anhebung des ...

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