Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert in einer Kindschaftssache, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge betrifft, 3.000 EUR. Unter diese Vorschrift fallen auch Kindschaftssachen, in denen es um eine gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern geht, § 1628 BGB.

2. Zum 31.8.2009 ist eine Rechtsänderung dahin erfolgt, dass an die Stelle des bisherigen Regelwertes ein (relativer) Festwert getreten ist, § 45 Abs. 3 FamGKG. Eine Abweichung vom Wert von 3.000 EUR kommt daher nur dann in Betracht, wenn sich der zu entscheidende Fall von der durchschnittlichen Konstellation wesentlich unterscheidet. Eine Herabsetzung des (relativen) Festwerts wird angesichts der ohnehin geringen Höhe gerade im Hinblick auf den mit derartigen Verfahren für alle Beteiligten, insbesondere Rechtsanwälte und Gerichte verbundenen Aufwand nur in besonderen Ausnahmefällen vorgenommen werden können.

 

Normenkette

FamGKG § 45

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 06.03.2014; Aktenzeichen 2.2 F 445/13)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird anderweitig auf 3.000 EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. P. wurde am ...1.2002 außerhalb einer Ehe geboren. Durch Urkunde des Jugendamtes des ... vom 31.5.2002 erkannte der Vater die Vaterschaft an. Mit Jugendamtsurkunde vom selben Tag erklärten die Eltern, die elterliche Sorge für P. gemeinsam ausüben zu wollen. Im Jahr 2004 trennten sich die Eltern. Seither lebt P. bei der Mutter.

Unter dem 10.12.2013 hat die Mutter beantragt, ihr die alleine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des Antragsrechts auf Hilfe zur Erziehung zu übertragen. Zur Begründung hat sie auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Erziehung des Kindes hingewiesen, die trotz Begleitung durch das Jugendamt und Einrichtung der Familienhilfe nicht hätten gelöst werden können. Nach Gesprächen mit dem Jugendamt, einer Familienbetreuerin der C., dem Familienhelfer und einer Vertreterin des sozial-pädiatrischen Zentrums habe Einigkeit bestanden, dass sie im Rahmen der Gewährung von Familienhilfe einen Antrag auf Aufnahme des Kindes in ein betreutes Wohnen stellen solle. Hierfür benötige sie die Zustimmung des Vaters. Dieser aber lehne die Aufnahme des Kindes in ein betreutes Wohnen ab und biete stattdessen an, P. bei sich in T. aufzunehmen. Dies sei aber keine Alternative, da das Kind dann aus dem engmaschigen Betreuungsnetz herausgenommen werde, ein Schulwechsel erforderlich sei und das Kind außerdem den Kontakt zu seinen Halbgeschwistern verliere. Im Übrigen beständen ernsthafte Zweifel, dass der Vater in der Lage sei, den für den P. erforderlichen und notwendigen, besonders hohen Betreuungsaufwand zu leisten.

Der Vater ist dem Antrag entgegengetreten und hat in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hingewiesen, dass P. jedenfalls dann, wenn er bei ihm, dem Vater, oder bei den Großeltern in T. sei, ruhig, freundlich und ausgeglichen sei. Dass ein Kind mit fast 12 Jahren in die "Rüpeljahre" komme, sei nicht ungewöhnlich und rechtfertige eine Fremdunterbringung nicht.

Im Termin vom 6.3.2014 hat das AG die Eltern und das Kind angehört. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat P. dem Richter gegenüber erklärt, lieber in eine Wohngemeinschaft ziehen zu wollen, als in den Haushalt des Vaters zu wechseln. Das Anhörungsergebnis ist den Eltern mitgeteilt worden. Der Vater hat hierauf erklärt, mit der Beantragung öffentlicher Hilfen zur Erziehung auch in Form einer Fremd-, d.h. Wohngruppenunterbringung, des Kindes einverstanden zu sein. Im Hinblick auf diese Erklärung sind die Beteiligten und das AG offensichtlich davon ausgegangen, dass sich das Verfahren erledigt hat. Jedenfalls hat das AG zum Ende der Sitzung lediglich noch einen Beschluss verkündet, in dem es eine Kostenregelung getroffen und den Verfahrenswert auf 1.000 EUR festgesetzt hat.

Gegen die Wertfestsetzung wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit der Beschwerde und begehrt Anhebung des Verfahrenswertes auf 3.000 EUR. Zur Begründung führt sie an, dass das Gesetz für Sorgerechtsverfahren einen Verfahrenswert von 3.000 EUR vorsehe. Nur wenn dieser Wert nach den besonderen Umständen unbillig sei, könne ein niedriger Wert festgesetzt werden. Das sei hier nicht der Fall. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das AG in einem anderen Verfahren, gerichtet auf Übertragung des Alleinentscheidungsbefugnis zur Anmeldung in einer Privatschule, den Verfahrenswert auf 3.000 EUR und in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf Herausgabe des Kindes zum Zwecke der Teilnahme an einer Kurmaßnahme auf 1.500 EUR festgesetzt, mithin in beiden Fällen eine Herabsetzung des gesetzlich vorgesehenen Regelwertes nicht vorgenommen habe.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Di...

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