Rz. 56

Beim Zeugenbeweis, der Parteiaussage und der mündlichen Anhörung eines Sachverständigen besteht im Termin ein Fragerecht der Parteien an die aussagende Person im Anschluss an die Befragung durch das Gericht. Zum Sachverständigengutachten können auch schon vor der mündlichen Verhandlung Fragen oder Anträge per Schriftsatz an das Gericht eingereicht werden sowie Einwendungen erhoben werden. Das Gericht kann dann schon vor der Verhandlung den Sachverständigen ersuchen, diese Fragen schriftlich zu beantworten. Bei einem ungünstigen Verlauf der bisherigen Beweisaufnahme kann durch geschickte Fragen versucht werden, das Beweisergebnis noch zu beeinflussen. Dabei ist ein "gewisses Gespür" anzuwenden.

aa) Befragung des Sachverständigen

 

Rz. 57

Gemäß § 411 Abs. 4 ZPO ist der Rechtsanwalt berechtigt, zum Sachverständigengutachten schriftlich Anträge und Ergänzungsfragen zu stellen sowie Einwendungen zu erheben. Den im Termin erschienenen Gutachter darf der Rechtsanwalt nach §§ 402, 397 ZPO befragen.

bb) Befragung einer Partei

 

Rz. 58

Gemäß §§ 451, 397 ZPO darf der Rechtsanwalt die Partei im Anschluss an die Befragung durch das Gericht ebenfalls fragen.

 

Rz. 59

Bei Fragen an den Mandanten hat der Rechtsanwalt darauf zu achten, dass die Aussage für das Gericht brauchbar ist. Die Fragen sollten daher sachlich und distanziert sein. Der Rechtsanwalt muss vermeiden, seiner Partei Aussagen "in den Mund zu legen".

 

Rz. 60

Der Prozessgegner, welcher als Partei aussagt, ist nur zu befragen, wenn die Möglichkeit besteht, dass dieser von seinem bisherigen Sachvortrag abrückt (was selten der Fall sein wird) oder Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage aufgespürt werden können, z.B. wenn er beginnen könnte, sich in Widersprüche zu verstricken.

cc) Zeugenbefragung

 

Rz. 61

Nachdem der Zeuge gemäß § 396 Abs. 1 und 2 ZPO im Zusammenhang ausgesagt und Nachfragen des Gerichts beantwortet hat, darf der Rechtsanwalt den Zeugen nach § 397 Abs. 2 ZPO unmittelbar befragen. Er braucht seine Fragen also nicht durch das Gericht vorlegen zu lassen; das Gericht muss sie aber nicht zulassen. Die Fragen müssen im Kontext mit dem Beweisthema stehen.

 

Rz. 62

Fragen an den Zeugen des Mandanten sind nur zu empfehlen, wenn zu erwarten ist, dass der Zeuge den Sachverhalt weiter erhellt. Wenn zu befürchten ist, dass sich dieser widerspricht oder seine Aussage relativiert, sollte auf zusätzliche Fragen verzichtet werden.

 

Rz. 63

Nach § 399 1. Hs. ZPO kann der Anwalt auch auf einen Zeugen seiner Partei verzichten. Diese Vorgehensweise kommt in Betracht, wenn man zwei oder mehr Zeugen für eine Beweisfrage benannt hat und bereits der erste Zeuge überzeugend ausgesagt hat. Allerdings kann der Gegner verlangen, dass der erschienene Zeuge vernommen wird, § 399 2. Hs. ZPO. Auf die Vernehmung eines fremden Zeugen kann stets verzichtet werden.

 

Rz. 64

Der gegnerische Zeuge ist zu befragen, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass der Zeuge unsicher ist, lediglich Schlussfolgerungen erklärt, Zweifel an seiner Wahrnehmungsfähigkeit bestehen oder seine Aussage aus anderen Gründen mit Fragen angreifbar ist. Keine Fragen sind an den vom Prozessgegner benannten Zeugen zu stellen, wenn zu befürchten ist, dass dieser seine Bekundung nur noch aussagekräftig bestätigt.

 

Rz. 65

Fragen an Zeugen müssen zulässig sein. Unzulässig sind:

Fragen, die gegen §§ 376, 383 Abs. 3 ZPO verstoßen (Fälle der Amtsverschwiegenheit und der Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen),
Fragen, die nicht zum Beweissatz gehören; wegen der Prozesswirtschaftlichkeit und der Wahrheitsermittlung ist die Zugehörigkeit zur Beweisfrage i.d.R. weit auszulegen,
Ausforschungsversuche,
bereits beantwortete Fragen oder
Suggestivfragen (diese geben dem Zeugen eine bestimmte Antwort vor).
 

Rz. 66

Die Parteien können Zeugen auch "sistieren", also unangekündigt mitbringen. Das Gericht hört diese Zeugen im Rahmen einer anberaumten Beweiserhebung an, es sei denn, dies würde den anberaumten Verhandlungstermin zeitlich "sprengen". Dann muss das Gericht den sistierten Zeugen nicht vernehmen.

 

Rz. 67

Falls die andere Partei Zeugen "sistiert", kann dies möglicherweise die Prozessaussichten des Mandanten beeinträchtigen. Dann ist nach einer Möglichkeit zu suchen, gegen diese "Überraschungsstrategie" der anderen Partei anzugehen. Falls die andere Partei Zeugen unangekündigt zur Beweiserhebung mitbringt, kann eingewendet werden, dass auch über andere erhebliche Behauptungen Beweis erhoben werden müsste.

 

Beispiel

Ein sistierter Zeuge des Klägers soll den Unfallhergang schildern. Weil aber auch die Schadenshöhe an dem Kfz zwischen den Parteien umstritten ist, kann der Beklagte einwenden, dass dann auch noch darüber Beweis erhoben werden müsste, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen würde. Das Gericht braucht den Zeugen in diesem Fall nicht anzuhören.

Denkbar ist auch, den mitgebrachten Zeugen gezielt nach anderen beteiligten Personen zu befragen. Der Zeuge erklärt daraufhin eventuell, dass auch eine andere Person den Vorfall beobachtet hat. Diese kann dann unter Hinweis darauf, dass der Beweisantri...

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