Rz. 22

Zu beachten ist die Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV. Darin hat der Gesetzgeber einen sog. Schwellensatz eingeführt. Danach kann der Rechtsanwalt eine Gebühr von mehr als 1,3 nur fordern, wenn die Tätigkeit "umfangreich oder schwierig" war. Mit dieser Schwellengebühr wird kein zweiter Gebührenrahmen eingeführt, etwa dergestalt, dass in einfachen und nicht schwierigen Angelegenheiten nunmehr ein Rahmen von 0,5 bis 1,3; Mittelgebühr 0,9 gilt. Bei der sog. Schwellengebühr von 1,3 handelt es sich vielmehr um einen Höchstsatz, ähnlich wie bei der "Erstberatungsgebühr". Die Anwendung der Schwellengebühr führt lediglich dazu, dass der durch § 14 Abs. 1 RVG eingeräumte anwaltliche Ermessensspielraum eingeschränkt wird. Bei der Frage, ob eine Angelegenheit umfangreich oder schwierig ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Überprüfung des Gerichts unterliegt. Ein Toleranzbereich ist hier nicht gegeben.[11]

 

Beispiel 9: Außergerichtliche Vertretung – Schwellengebühr

Der Anwalt wird mit der außergerichtlichen Beitreibung einer Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR beauftragt. Die Sache ist von besonderer Bedeutung. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sind überdurchschnittlich und auch das Haftungsrisiko ist besonders hoch. Die Tätigkeit des Anwalts ist jedoch weder umfangreich noch schwierig.

Da die Angelegenheit weder umfangreich noch schwierig war, greift die Schwellengebühr nach Anm. zu Nr. 2300 VV. Dass die übrigen Kriterien überdurchschnittlich sind, ist unerheblich. Der Anwalt kann keine höhere Gebühr als 1,3 abrechnen.

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR
 

Rz. 23

Auch die "Schwellengebühr" erhöht sich bei mehreren Auftraggebern um 0,3 je weiteren Auftraggeber, sofern der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV).

 

Beispiel 10: Außergerichtliche Vertretung – Schwellengebühr, mehrere Auftraggeber bei demselben Gegenstand

Der Anwalt wird von zwei Gesamtschuldnern mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt. Die Tätigkeit des Anwalts ist weder umfangreich noch schwierig (Wert: 8.000,00 EUR).

Auch die "Schwellengebühr" erhöht sich um 0,3 auf 1,6.

 
1. 1,6-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 1008 VV   803,20 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 823,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   156,41 EUR
Gesamt   979,61 EUR
[11] Unter Aufgabe seiner bis dahin gegenteiligen Rspr. BGH AGS 2013, 111 = RVGreport 2013, 185 = NJW 2013, 2441; AGS 2012, 373 = NJW 2012, 2813 = RVGreport 2012, 375.

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