Rz. 5

Die Ausschlagung ist fristgebunden und kann nur binnen sechs Wochen erklärt werden (§ 1944 BGB). Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann sich die Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 3 BGB auf sechs Monate verlängern. Für die Rechtzeitigkeit der Ausschlagungserklärung ist auf den Zugang bei der empfangsbedürftigen Stelle – i.d.R. dem Nachlassgericht – abzustellen. Problematisch ist die Bestimmung des Zeitpunktes, in dem die Ausschlagungsfrist zu laufen beginnt. Hierzu muss der Erbe zuverlässige Kenntnis über den Tod des Erblassers, seine Erbenstellung sowie den Berufungsgrund (gesetzliche Erbfolge oder letztwillige Verfügungen) besitzen. Nicht erforderlich ist die Kenntnis des genauen Umfanges des Erbteils.[6] Fahrlässige Unkenntnis der relevanten Umstände sowie Unfähigkeit zur Kenntnisnahme infolge körperlicher oder geistiger Behinderungen setzen den Fristenlauf nicht in Gang.

 

Praxishinweis

Grundsätzlich ist die Darlegung eines Erben, vor einem bestimmten Zeitpunkt keine Kenntnis vom Erbfall gehabt zu haben, für die Annahme des Beginns der Ausschlagungsfrist ausreichend. Hat das Nachlassgericht abweichende Erkenntnisse, hat es diesbezüglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.[7]

 

Rz. 6

Im Falle der Verkündung des Testaments oder Erbvertrags beginnt die Ausschlagungsfrist mit der Verkündung (§ 1944 Abs. 2 BGB). Erforderlich ist nach der h.M. insoweit, dass der Erbe zumindest Kenntnis von dem "ob" der Verkündung/Eröffnung erlangt. Einzelheiten der letztwilligen Verfügung muss der Erbe nicht kennen.[8]

 

Praxishinweis

In den Fällen, in denen der Fristablauf unmittelbar bevorsteht, haben Notare und Rechtsanwälte das Risiko, dass die Ausschlagungserklärung wegen Verzögerungen in der Postlaufzeit nicht rechtzeitig zugeht. Hier sollte der Mandant – bei entsprechender Absprache und Belehrung – selbst die Ausschlagungserklärung in öffentlich beglaubigter Form an das Nachlassgericht übermitteln.

 

Rz. 7

In den Fällen, in denen die Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB oder § 2307 Abs. 1 BGB zu der Entstehung eines Pflichtteilsrechtes führen soll, beginnt die Ausschlagungsfrist erst mit Kenntnis von den angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen des Erbes. Ist der Erbe über die Wirksamkeit der Beschränkung oder Beschwerung im Irrtum, so hindert dies den Lauf der Ausschlagungsfrist.[9] Der Irrtum über die Auswirkungen der Beschränkung oder Beschwerung ist jedoch unbeachtlich.[10]

 

Rz. 8

Die Vorschrift des § 2306 Abs. 1 BGB wurde durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts[11] reformiert. Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes konnte der beschwerte pflichtteilsberechtigte Erbe nur dann ausschlagen und stattdessen seinen Pflichtteil verlangen, wenn sein Erbteil die Hälfte der gesetzlichen Erbquote überstieg.[12] Heute ist die Ausschlagung, die zur Entstehung des Pflichtteilsrechts führt, schon dann möglich, wenn der Erbe mit den in § 2306 Abs. 1 BGB aufgezählten Beschränkungen und Belastungen versehen ist, sodass die Notwendigkeit einer Berechnung der Höhe der gesetzlichen Erbquote, die mittels der Quoten- oder Werttheorie erfolgte, in Bezug auf Entstehung des Pflichtteilsrechts obsolet geworden ist.

[6] Damrau/Tanck/Masloff/Völksen, § 1944 Rn 6.
[8] BGHZ 112, 229, 233 ff.; Damrau/Tanck/Masloff/Völksen, § 1944 Rn 9.
[9] Grüneberg/Weidlich, § 2306 Rn 6.
[10] BGH LM § 2306 Nr. 4; BGH DNotZ 1968, 555; BGH NJW 2016, 2954 ff.
[11] Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (ErbVerjRÄndG) vom 24.9.2009, BGBl I S. 3142 (Nr. 63); Geltung ab 1.1.2010.
[12] Bonefeld/Kroiß/Tanck/Lenz-Brendel, Erbprozess, § 7 Rn 4, Rn 22.

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