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Wirtschaftsethische Aspekte und Fragen der Werteorientierung gewinnen – im Einklang mit deutlich wahrnehmbaren gesellschaftlichen Tendenzen bzw. Entwicklungen – zunehmend an Relevanz als Eckpfeiler wirtschaftlichen Handelns. Aktuelle Belege hierfür sind insbesondere das "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten", also das "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" (LkSG, 16.7.2021, BGBl I, 2959) und dessen europäisches Pendant, die "Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie" (CSDD, bislang nur als Entwurf vom 23.2.2022 verfügbar: "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der RL 2019/1937/EU"; https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:bc4dcea4–9584–11ec-b4e4–01aa75ed71a1.0007.02/DOC_1&format=PDF). Nach beiden Vorgaben ist die Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen sicherzustellen und bestimmte Umweltverpflichtungen sind zum Gegenstand des Risikomanagements in der Lieferkette zu machen. Gleichzeitig etabliert sich sukzessiv ein umfassenderes Compliance-Verständnis, das sich eben nicht nur bezieht auf die Einhaltung von Normen und Unternehmensrichtlinien, sondern auch auf diese weitergehenden Gesichtspunkte, die mittlerweile, auch medial bedingt, in aller Regel unmittelbar auf die Unternehmensreputation einwirken (s.o. § 68).

Die Begriffe Corporate Social Responsibility (CSR), Nachhaltigkeit oder auch Corporate Citizenship stehen letztlich sämtlich für Konzepte unternehmerischer Verantwortung (ausführlich: Beisheim, FS Eberhard Stilz, S. 45, 48 ff.). Die "Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft", wie es in der seit 2011 vorliegenden, überarbeiteten CSR-Definition der EU-Kommission heißt, gilt mehr denn je als ein Element einer guten Corporate Governance (KOM 2011, 681 endg.). Letztlich geht es insoweit auch um das Management gesellschaftlicher Erwartungen, also um einen in jeder Hinsicht angemessenen und korrekten Umgang mit den Stakeholdern des Unternehmens. Dies sind indes nicht mehr nur die Investoren, wie es längere Zeit dem shareholder-value-Ansatz entsprach, sondern auch etwa die Kunden bzw. Verbraucher, Lieferanten, Mitarbeiter und die Öffentlichkeit (Überblick: Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2019, § 76 Rn 29 ff.).

Nachhaltigkeitsrisiken sind in aller Regel auch Reputationsrisiken. Ihre Verwirklichung kann sich gravierend auf das Unternehmen, seinen Marktantritt, seine Marktwahrnehmung und seinen Wert auswirken. Deshalb war ein Management bereits in der jüngeren Vergangenheit gut beraten, die hier relevanten Themen im Blick zu behalten und ihnen angemessen Rechnung zu tragen. Bereits seit geraumer Zeit bestehen vor dem Hintergrund der Umsetzung der "Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2014 im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen" auch weitreichende rechtliche Vorgaben auf diesem Gebiet, deren Einhaltung schon wegen der möglichen Sanktionen sicherzustellen ist ("CSR-Richtlinie oder Non-Financial Reporting Directive – NFRD", ABl EU v. 15.11.2014, Nr. L 330). Das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz; BGBl I 2017, 802) ist so am 10.4.2017 in Kraft getreten und entfaltete erstmalig mit Blick auf das 2017 beginnende Geschäftsjahr über das entsprechende Reporting Wirkung für große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungen (ausführlich hierzu: Schulz/Beisheim/Dopychai, Compliance-Management im Unternehmen, 2021, Kap. 15). Die Europäische Kommission stellte den Unternehmen in der Folge als unverbindliche Orientierungshilfe zudem Leitlinien zur nichtfinanziellen Berichterstattung (Mitteilung der Kommission, Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen – Methode, ABl EU v. 5.7.2017, 2017/C 215/01) zur Verfügung.

Am 21.4.2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie 2014/95/EU vorgelegt, der zu einer Neuaufstellung des Nachhaltigkeits reportings in Europa führen wird. Nachdem am 21.6.2022 die Vertreter des Europäischen Ministerrats und des Europäischen Parlaments im Trilog eine politische Einigung über die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erzielt haben, wurde am 30.6.2022 der finale Richtlinientext veröffentlicht (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD, Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2013/34/EU, 2004/109/EG und 2006/43/EG und der Verordnung [EU] Nr. 537 / 2014 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen vom 21.4.2021, COM [2021] 189 final; https://www.consilium.europa.eu/media/57644/st10835-xx22.pdf)). Die CSRD soll bis zum 1.12.2022 in nationales Recht überführt werden und ab dem 1.1.2023 in Kra...

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