Rz. 63

Der besondere Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX gilt ebenso für gleichgestellte behinderte Menschen. Eine Gleichstellung kann gem. § 2 Abs. 3 SGB IX erlangen, wer einen GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30 hat und infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten kann. Der Antrag auf Gleichstellung ist bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen. Der besondere Kündigungsschutz wird bereits durch die mündliche bzw. telefonische Stellung eines Gleichstellungsantrags ausgelöst.[116] Die Gleichstellung, die gem. § 151 Abs. 2 S. 3 SGB IX auch befristet werden kann, ist ein konstitutiver Verwaltungsakt. Der Arbeitgeber kann die Entscheidung der Agentur für Arbeit nicht anfechten.[117]

Gem. § 151 Abs. 4 S. 1 SGB IX sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene während der Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, selbst wenn der GdB weniger als 30 beträgt oder nicht festgestellt ist. Ein Nachweis der Agentur für Arbeit ist ausreichend. Allerdings zieht diese Gleichstellung keine arbeitsrechtlichen Schutzwirkungen nach sich, sondern bewirkt lediglich, dass dem Arbeitgeber durch das Integrationsamt Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung erbracht werden können. Ein Sonderkündigungsschutz besteht dementsprechend nicht.

 

Rz. 64

Die gesetzlichen Einschränkungen des § 173 Abs. 3 SGB IX gelten auch für das Gleichstellungsverfahren, d.h. auch die gleichgestellten Arbeitnehmer sind vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen, wenn sie ihren Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt haben.[118] Bei einem Gleichgestellten ist dabei nicht rückwirkend auf das Datum des Eingangs des Antrags auf Anerkennung als Schwerbehinderter, sondern auf das Datum des Eingangs des Gleichstellungsantrags abzustellen.[119] Ein entsprechender Antrag kann jedoch vorsorglich bereits neben dem Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung gestellt werden. Eine entsprechende Erklärung muss sich aus dem Antrag eindeutig ergeben.[120]

 

Rz. 65

Damit ergibt sich für das Gleichstellungsverfahren durch die Regelung des § 173 Abs. 3 SGB IX folgende Übersicht:

 
Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit liegt vor Sonderkündigungsschutz gem. § 173 Abs. 3 Alt. 1 SGB IX
Antrag auf Gleichstellung gestellt, Bescheid liegt noch nicht vor Vorliegen Sonderkündigungsschutz umstritten
Antrag auf Gleichstellung gestellt, ablehnender Bescheid liegt vor, Widerspruch bzw. Klage anhängig Kein Sonderkündigungsschutz
[116] LAG Niedersachsen v. 23.10.2018, ArbRAktuell 2019, 101.
[117] BSG v. 19.12.2001, AP Nr. 1 zu § 2 SchwbG 1986.
[118] BAG v. 1.3.2007, NZA 2008, 302. Durch diese Entscheidung dürfte das BAG den Streit um die Auslegung des § 173 Abs. 3 SGB IX beendet haben. Vgl. hierzu auch Göttling/Neumann, NZA-RR 2007, 281.
[119] LAG Hessen v. 24.3.2014, BeckRS 2014, 72381.

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