Rz. 132

Pflegeleistungen werden auch heute in Grundstücksübertragungen noch häufig vereinbart und können den unentgeltlichen Teil der Zuwendung u.U. ganz erheblich reduzieren, weil sie auch bei erbrechtlichen Ansprüchen zu berücksichtigen sind.[385] Nach Auffassung des BGH können beispielsweise übernommene Pflegeverpflichtungen und Pflegeleistungen auch in Form echter Gegenleistungen bei gemischten Schenkungen als Abzugsposten in Betracht kommen.[386] Neben der Bemessung des Kapitalisierungsfaktors (siehe Rdn 127 ff.) bereitet die Bewertung der geschuldeten Pflegeleistung Probleme. Hierbei ist primär von der vertraglich festgelegten Verpflichtung auszugehen. Die in der Vergangenheit übliche Orientierung an den drei Pflegestufen des Pflegeversicherungsgesetzes soll heute überholt sein, da diese Pflegestufen durch das zweite Pflegestärkungsgesetz mit Wirkung zum 1.1.2017 durch fünf Pflegestufen ersetzt wurden. Diesbezüglich wird vertreten, dass diese neuen Stufen nicht mehr passten.[387] Stattdessen empfiehlt z.B. G. Müller, die geschuldeten Tätigkeiten und die aufgewendete Zeit genauer zu umschreiben.[388] Daneben ist auch auf den konkreten Gesundheitszustand bei der Zuwendung abzustellen.[389] Die meisten Entscheidungen hierzu finden sich aus dem sozialhilferechtlichen Bereich, insbesondere zur Bemessung der Wertersatzrente für Pflegeleistungen bei Wegzug des Berechtigten in ein Pflegeheim, und sind daher nicht ohne weiteres übertragbar, da es dabei nach den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen um die nach Bereicherungsrecht und billigem Ermessen zu bestimmende "Befreiung von der Leistungspflicht" geht; hier reichen die Beträge von 3,50 EUR/Stunde bis 280 EUR/Monat.[390] Demgegenüber fanden sich bei Pflichtteilsergänzungsprozessen Monatswerte von 300 DM,[391] 800 DM,[392] 2.500 DM[393] bis zum Spitzenwert von 3.000 DM.[394]

 

Rz. 133

Weiter ist zu klären, ab welchem "Einsatzzeitpunkt" die Pflegeleistung zu berücksichtigen ist, wenn die Pflegebedürftigkeit nicht bereits bei der Zuwendung besteht, sondern der Bedarfsfall erst später eintritt. Während hier teilweise die Verpflichtung als aufschiebend bedingte behandelt und erst ab dem tatsächlichen Bedarf berücksichtigt wird,[395] teilweise auch auf eine Pflegewahrscheinlichkeit abgestellt wird,[396] wird doch überwiegend "abstrakt" nach der Lebenserwartung und ab Vertragsabschluss berechnet,[397] was zutreffend dem Gedanken Rechnung trägt, dass der Übernehmer sofort ab Vertragsschluss das Risiko hat, voll die gesamte Pflegeleistung erbringen zu müssen. Auf die tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme der Leistungen kommt es nicht an.[398] Wurde die Pflegeleistung zunächst unentgeltlich erbracht, können die Parteien nachträglich noch die Entgeltlichkeit (vgl. Rdn 30) mit der Folge vereinbaren, dass die Zuwendung des Schenkers an den Pflegenden keiner Pflichtteilsergänzung unterliegt, soweit sie dem Wert der Pflegeleistung entspricht.[399]

[385] OLG Köln FamRZ 1997, 1113; OLG Braunschweig FamRZ 1995, 443, 445 (zu § 2113 BGB) mit der Einschränkung, dass der Leistungsumfang konkret vereinbart und über die gesetzliche Unterhaltspflicht des Schuldners hinausgehen müsse. Problematisierend unter dem Gesichtspunkt, dass die Pflegeverpflichtung eine Auflage ist: Kerscher/Riedel/Lenz, § 9 Rn 34 f. (siehe hierzu Rn 33 f.).
[387] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2325 Rn 42.
[388] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2325 Rn 42.
[389] OLG Köln FamRZ 1997, 1113, 1114.
[390] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/G. Müller, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 15.6.2017, § 2325 Rn 42; vgl. die Übersicht bei Karpen, MittRhNotK 1988, 133, 144; DNotI-Report 1999, 45, 47 f.; Littig/J. Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erben und Beschenkten, 1999, Rn 112. Bei § 2287 BGB nahm OLG Köln MittRhNotK 1995, 186 einen monatlichen Aufwand von 300 DM an.
[391] OLG Koblenz FamRZ 2002, 772, 774 (offenbar Wertansatz in der Urkunde).
[392] OLGR Köln 1993, 43 (vertragliche Festlegung).
[393] OLG Oldenburg FamRZ 1998, 516, 517 = OLGR Oldenburg 1998, 133.
[394] OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 263 = MittBayNot 1997, 183 = OLGR 1996, 225; vgl. auch Bamberger/Roth/J. Mayer, Beckscher Online-Kommentar, Stand: 1.2.2013, § 2325 Rn 27.
[395] OLG Hamburg FamRZ 1992, 228 m. Anm. Reiff, FamRZ 1992, 363; so auch im Grunderwerbsteuerrecht, siehe OFD Koblenz Schreiben v. 28.2.1996, ZEV 1996, 141.
[396] So DNotI-Report 1999, 45, 48; dagegen zu Recht aber Reiff, ZEV 1998, 241, 247 Fn 71: Es gibt keine statistische Pflegebedürftigkeitsdauer.
[397] So BGH NJW 1981, 2458 = FamRZ 1981, 765; OLG Koblenz FamRZ 2002, 772, 774; OLGR Köln 1993, 43; OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 263 = MittBayNot 1997, 183 = OLGR 1996, 225; LG Bonn ZEV 1999, 154 (wobei hier der Erbfall bereits kurz nach Vertragsschluss eintrat).
[398] OLG Koblenz NJW-RR 2002, 512, 513 mit Verweis auf BGH NJW 1995, 1349, 1350; BGH NJW-RR 1990, 1283, 1284; OLG Oldenbu...

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