Rz. 47

Sachlich setzt der Sonderkündigungsschutz ein rechtswirksames Arbeitsverhältnis ­voraus. Ist ein solches nicht gegeben, so kann sich jede Partei jederzeit durch einseitige Erklärung von dem Arbeitsverhältnis lösen, ohne dass die Voraussetzungen einer Kündigung vorzuliegen brauchen.[16]

[16] BAG v. 7.12.1961 – 2 AZR 12/61, AP Nr. 1 zu § 611 BGB faktisches Arbeitsverhältnis.

a) Beginn des Kündigungsschutzes

 

Rz. 48

Sonderkündigungsschutz genießt die Frau, sobald die Schwangerschaft besteht und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung. Bei Fehlgeburten besteht der Sonderkündigungsschutz bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche. Entscheidend ist der Zugang der Kündigungserklärung. Geht die Kündigung noch vor Beginn der Schwangerschaft zu, so wird die Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht durch § 17 MuSchG gehindert, auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis fristgemäß erst während der Schwangerschaft endet. Zur Berechnung ist ausgehend von dem bescheinigten voraussichtlichen Entbindungsdatum um die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 280 Tagen zurückzurechnen, wobei der voraussichtliche Entbindungstag nicht mitzählt.[17] Beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzung des Sonderkündigungsschutzes vorlag, ist die Arbeitnehmerin.

[17] BAG v. 7.5.1998 – 2 AZR 417/97, AP Nr. 24 zu § 9 MuSchG 1968.

b) Ende des Kündigungsschutzes

 

Rz. 49

Der Sonderkündigungsschutz endet mit Ablauf von vier Monaten nach der tatsächlichen Entbindung. Die Frist ist nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 3 BGB zu berechnen (zu der Definition der Entbindung siehe Rdn 17). In der Konsequenz erlischt der Sonderkündigungsschutz, wenn die Schwangerschaft durch einen Schwangerschaftsabbruch endet. Entbindet die Mutter, handelt es sich jedoch um eine Totgeburt, so bleibt der Kündigungsschutz erhalten, ebenso bei dem nachfolgenden Tod des Kindes.

c) Kenntnis des Arbeitgebers

 

Rz. 50

Das Kündigungsverbot setzt voraus, dass dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Entscheidend ist, dass die Arbeitnehmerin mitteilt, dass sie bereits bei Zugang der Kündigung schwanger war oder vermutlich schwanger war. Da nämlich für das Bestehen des Kündigungsverbotes der objektive Zustand der Schwangerschaft entscheidend ist, reicht es aus, wenn die Arbeitnehmerin eine zunächst noch unsichere Diagnose mitteilt.[18]

 

Rz. 51

Versäumt die werdende Mutter die Mitteilungsfrist, so ist dies unschädlich, wenn die Versäumung auf einen von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (§ 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG). Unverzüglich erfolgt die Mitteilung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt, § 121 Abs. 1 BGB. Die Mitteilung nach § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG ist keine Pflicht, sondern eine Obliegenheit. Der Maßstab des Vertretenmüssens ist demgemäß vom BAG dahingehend entwickelt worden, dass jede Versäumung zu vertreten ist, die als gröblicher Verstoß gegen das von ­einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartenden Verhalten zu sehen ist.[19] Eine unverschuldete Versäumung der Zwei-Wochen-Frist kann so­gar dann vorliegen, wenn die Frau bei Zugang der Kündigung bereits Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hatte oder diese während des Laufs der Zwei-Wochen-Frist erhielt und durch sonstige Umstände an der rechtzeitigen Mitteilung unverschuldet gehindert war.[20]

Erfolgt die Mitteilung innerhalb von einer Woche nach Wegfall der Hinderung, so ist das noch als rechtzeitig zu betrachten.[21] Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Arbeitnehmerin.[22]

 

Rz. 52

Die Mittelung muss gem. § 17 Abs. 1 MuSchG gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen. Kenntnis seiner Vertreter, wozu auch die Personalabteilung gehört, muss sich der Arbeitgeber gem. § 164 Abs. 3 BGB analog zurechnen lassen.

 

Rz. 53

Für den Eintritt des Kündigungsschutzes reicht die bloße Mitteilung. Ein gleichzeitiger Nachweis ist nicht erforderlich. Nach § 15 MuSchG hat die Mutter dann aber auf Verlangen des Arbeitgebers das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme vorzulegen.

[18] BAG v. 5.5.1961 – 1 AZR 454/59, AP Nr. 23 zu § 9 MuSchG.
[21] BAG v. 27.10.1983 – 2 AZR 214, AP Nr. 13 zu § 9 MuSchG 1968; BAG v. 6.10.1983 – 2 AZR 368/82, AP Nr. 12 zu § 9 MuSchG 1968.
[22] BAG v. 13.1.1982 – 7 AZR 764/79, AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG 1968.

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