Rz. 106

Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung zur fiktiven Schadensberechnung seit dem Urteil in NJW 1976, 1390, erneut grundlegend in dem Urt. v. 20.6.1989 (NJW 1989, 3009 ff.; zfs 1989, 299; DAR 1989, 340) festgeschrieben, dass der Geschädigte als Folge seiner Dispositionsfreiheit immer zur fiktiven Schadenabrechnung berechtigt ist. Dem sind seitdem alle Obergerichte gefolgt (z.B. OLG Frankfurt zfs 1994, 50; OLG Hamm zfs 1993,10 f.; OLG Koblenz DAR 2015, 462). Die dogmatisch kaum ernst zu nehmende zwischenzeitlich vertretene Auffassung, dass aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung durch den VII. Zivilsenat des BGH (BGH NJW 2018, 1463) für das Werkvertragsrecht – nämlich die für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis – generell die Möglichkeit der fiktiven Abrechnung aufgegeben worden sei (LG Darmstadt zfs 2019, 24 – nicht rechtskräftig), ist inzwischen durch die Berufungsinstanz als offensichtlich verfehlt aufgehoben worden (OLG Frankfurt v. 14.11.2019 – 22 U 177/18); vgl. hierzu auch die oben in der "Literatur zur fiktiven Abrechnung" (vor Rn 101) genannten jüngsten Aufsätze. Inzwischen hat auch der Arbeitskreis II des 58. Deutschen Verkehrsgerichtstages 2020 "nahezu einstimmig" empfohlen, dass an der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung eines Sachschadens aufgrund eines Verkehrsunfalls festzuhalten ist und die geänderte Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Abrechnung von Mangelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht nicht auf die Abrechnung von Verkehrsunfallschäden übertragen werden soll.

 

Rz. 107

Überobligationsmäßige Verzichte des Geschädigten entlasten nämlich den Schädiger nicht. Danach braucht der Geschädigte weder nachzuweisen, ob, noch in welchem Umfang er sein Unfallfahrzeug (oder auch die sonst noch beschädigten Gegenstände) hat reparieren lassen. Der BGH bejaht damit eine absolute Dispositionsfreiheit als "magna charta des Geschädigten" (Steffen, zfs 1995, 401).

 

Rz. 108

Vielmehr kann sich der Geschädigte damit begnügen, ein Gutachten eines Kfz- Sachverständigen oder (bei Kleinschäden) einen Kostenvoranschlag vorzulegen und auf dieser Basis abzurechnen. Damit kann der Schaden auf einem an sich einfachen, kostengünstigen und Streit vermeidenden Weg (Steffen, zfs 1995, 401) abgerechnet werden, noch bevor das Kraftfahrzeug repariert ist.

 

Rz. 109

Vgl. zur Problematik der Stundenverrechnungssätze die Ausführungen unten (siehe Rdn 146 ff.).

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