Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit der fiktiven Schadensabrechnung im Deliktrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschädigte ist berechtigt, gemäß der eindeutigen Regelung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung des vorherigen Zustands den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen.

2. Die Rechtsprechung des BGH zum Werkvertragsrecht vom 22.2.2018 - VII ZR 46/17 - kann nicht auf das Deliktrecht übertragen werden. Es besteht auch kein Anlass zu einer entsprechenden Rechtsfortbildung, da es mangels einer Austauschbeziehung nicht zu einer Überkompensation oder Äquivalenzstörung kommen kann.

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 05.09.2018; Aktenzeichen 23 O 386/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5.9.2018 abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner über den im Urteil tenorierten Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 2.200,- EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.943,38 EUR vom 30.9.2017 bis zum 27.12.2017, aus 3.446,58 EUR vom 28.12.2017 bis 2.1.2018, sowie aus 2.200,- EUR seit dem 21.12.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 20 %, die Beklagten 80 %.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger 30 %, die Beklagten 70 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 3.252,47 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom XX.XX.2017 in Anspruch genommen, der sich auf der Straße1/X-Kreisel in Stadt1 ereignet hat.

Die Beklagten haften für die Schäden des Klägers in vollem Umfang.

Die Parteien streiten allerdings darüber, in welchem Umfang die geltend gemachten Schadenspositionen begründet sind. Die Beklagte zu 2) hat vor Einreichung der Klage die Sachverständigenkosten, Abschleppkosten und anteilige Nebenkostenpauschale gezahlt, so dass die Klage in Höhe von 1.223,57 EUR zurückgenommen wurde. Nach Rechtshängigkeit hat die Beklagte zu 2) auf die Reparaturkosten einen Betrag von 6.214,45 EUR sowie 500,- EUR Wertminderung gezahlt, so dass der Kläger in diesem Umfang der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Der Kläger hat zusätzlich den Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden zurückgenommen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird, der Klage lediglich i.H.v. 12,01 EUR an restlichen Mietwagenkosten nebst anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 8.628,04 EUR sowie dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Erledigung der Hauptsache stattgegeben.

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der weiteren fiktiven Reparaturkosten in Höhe der geltend gemachten 3.247,47 EUR habe, und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe diese erforderlich seien. Fiktive Reparaturkosten könnten nicht als erstattungsfähiger Schaden im Sinne der §§ 249 f. BGB angesehen werden. Zur Begründung hat das Landgericht sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH (MDR 2018, 465) bezogen und ausgeführt, dass sich die Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht uneingeschränkt auf die Geltendmachung anderer fiktiver Schadensbeseitigungskosten im Rahmen eines vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzes übertragen lasse. Das Ergebnis sei auch nicht unbillig, da es dem Kläger überlassen bleibe, wie er den Schaden reparieren lasse. Wenn er tatsächlich keine Reparaturkosten aufwände, gelte das schadensrechtliche Bereicherungsverbot in Verbindung mit einem verbleibenden Minderwert.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlich abgewiesenen Ansprüche weiterverfolgt.

Der Kläger wendet sich gegen die Argumentation des Landgerichts und weist darauf hin, dass § 249 Abs. 2 BGB dem Geschädigten erlaube, den zur Reparatur notwendigen Betrag zu verlangen. Diesen schadensersatzrechtlichen Grundregelungen widerspreche die Argumentation des Landgerichts. Der Kläger wiederholt ansonsten seine Einwendungen gegen die Abrechnung der Beklagten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5.9.2018 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 3.252,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.995,85 EUR vom 30.9.2017 bi...

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