Rz. 160

In der Praxis besteht häufig das Problem, dass der Pflichtteilsberechtigte die Höhe und den Wert des Nachlasses sowie die vom Erblasser zu Lebzeiten getätigten Zuwendungen nicht kennt und er nicht in der Lage ist, die Höhe seines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu beziffern. Der Gesetzgeber hat ihm deshalb einen Auskunftsanspruch gegen die Erben eingeräumt. Die zentrale Norm des Auskunftsbegehrens ist § 2314 BGB. Er regelt letztlich drei voneinander unabhängige Auskunftsansprüche: den Auskunftsanspruch auf Vorlage eines privaten Bestandsverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 BGB), den Anspruch auf Vorlage eines amtlichen Nachlassverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB)[292] und den Anspruch auf Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses (§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Ansprüche sind voneinander unabhängig und schließen sich grundsätzlich nicht gegenseitig aus.[293] Der Pflichtteilsberechtigte kann also die Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses auch dann noch fordern, wenn er bereits ein privates Nachlassverzeichnis erhalten hat. Darüber hinaus kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, bei der Erstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden, § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB. In diesem Fall sind ihm mehrere Terminsvorschläge zu unterbreiten.[294] Die Auskunftserteilung kann nur vom Pflichtigen selbst erbracht werden und ist höchstpersönlicher Natur. Nach Ansicht des OLG München muss der Auskunftspflichtige das Nachlassverzeichnis daher persönlich unterzeichnen.[295]

 

Rz. 161

Der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB steht nur dem begrenzten Personenkreis der Nichterben zu. Anspruchsberechtigt nach § 2314 ist jeder Nichterbe aus dem Personenkreis der §§ 2303, 2309, 2338a BGB, der Abtretungsempfänger des Pflichtteilsanspruchs gem. §§ 2317, 398 BGB, der nicht erbende Pflichtteilsberechtigte, auch gegenüber dem vom Erblasser beschenkten Dritten nach § 2314 BGB analog, der nach § 2306 BGB belastete Erbe, wenn er das Erbe ausschlägt[296] sowie der pflichtteilsberechtigte Ehegatte, der beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Erbschaft nach § 1371 Abs. 3 BGB ausgeschlagen hat.[297]

 

Hinweis

Wird der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch an verschiedene Gläubiger abgetreten, dann steht jedem Abtretungsempfänger ein eigener Auskunftsanspruch zu, denn der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB ist in dem Fall ein unselbstständig zu sicherndes Nebenrecht. Gleiches gilt auch, wenn der Ergänzungsberechtigte einmal den Anspruch nach § 2325 BGB gegen die Erben und den Restergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB an verschiedene Gläubiger abtritt.

 

Rz. 162

Der Auskunftsanspruch steht jedem pflichtteilsberechtigten Nichterben als eigenständiger Anspruch zu. Sind mehrere Enterbte vorhanden, so kann jeder eigenständig auf Auskunft klagen, da die enterbten Pflichtteilsberechtigten nicht als Gesamtgläubiger zu behandeln sind. Erhält der Pflichtteilsberechtigte ein Vermächtnis, so hindert dies grundsätzlich die Auskunftsberechtigung nicht.[298]

 

Rz. 163

Keinen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB haben hingegen der pflichtteilsberechtigte Erbe,[299] der pflichtteilsberechtigte Miterbe, der Nacherbe,[300] der Nacherbe[301] im Bezug auf den vom Vorerben Beschenkten (§ 2314 BGB analog) und derjenige, dem der Pflichtteil rechtmäßig entzogen worden ist. Der Nacherbe hat gegen den Vorerben nur einen Auskunftsanspruch hinsichtlich Schenkungen und unentgeltlichen Zuwendungen aus Treu und Glauben, § 242 BGB.[302]

 

Hinweis

Dem Miterben, der z.B. Ergänzungspflichtteile geltend macht, steht kein Anspruch aus § 2314 BGB zu.[303] Er kann sich als Gesamthänder jederzeit selbst über den Bestand und den Wert des Nachlasses Kenntnis verschaffen und dazu ggf. Mitwirkung der übrigen Miterben verlangen.[304] Ihm stehen die Ansprüche nach den §§ 2027, 2028, 2038, 666, 681 BGB und ggf. ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zu.

 

Rz. 164

Auskunftspflichtig ist der Erbe persönlich, mehrere Erben als Gesamtschuldner und schließlich der Beschenkte bzgl. der (in den letzten zehn Jahren)[305] vor dem Erbfall erfolgten Geschenke gem. § 2314 BGB analog. Bei einer Vor- und Nacherbschaft trifft die Auskunftspflicht bis zum Eintritt des Nacherbfalls nur den Vorerben. Nicht nach § 2314 BGB zur Auskunft verpflichtet ist dagegen der Testamentsvollstrecker und zwar auch dann nicht, wenn eine Verwaltungsvollstreckung angeordnet ist (§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB).[306]

 

Hinweis

Grundsätzlich kommt auch ein Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten in Betracht, soweit dieser Auskunft vom Pflichtteilsberechtigten über Geschenke verlangt, die dieser vom Erblasser erhalten hat. Eine solche Auskunft schuldet der Pflichtteilsberechtigte aber nicht schon zu dem Zweck, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, sondern erst, wenn er Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht.[307]

[292] Zu den Voraussetzungen an das Vorliegen eines notariellen Nachlassverzeichnisses OLG Celle ZErb 2002, 166; Nieder, ZErb 2004, 60 und LG Aurich ZErb...

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