Rz. 22

Der pflichtteilsberechtigte Erbe hat nach § 2306 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und seinen Pflichtteil zu verlangen, wenn sein Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet ist.[30] Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechtes reformiert. Vor Inkrafttreten des Gesetzes konnte der beschwerte pflichtteilsberechtigte Erbe nur dann ausschlagen, wenn sein Erbteil die Hälfte der gesetzlichen Erbquote überstieg. War dies nicht der Fall, galten die Beschränkungen und/oder Beschwerungen als nicht angeordnet. Eine dennoch erfolgte Ausschlagung führte zum Verlust des Pflichtteilsanspruches.

 

Hinweis

Die Wirkungen der Erbausschlagung "aus allen Berufungsgründen" im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch sind im Einzelfall festzustellen. Das in § 2306 Abs. 1 BGB eingeräumte Wahlrecht besteht nur dann, wenn alle dem Erben hinterlassenen Erbteile, also sowohl der Erbteil aufgrund letztwilliger Verfügung als auch der Erbteil kraft gesetzlicher Erbfolge, mit Beschränkungen und Beschwerungen verbunden sind.[31]

 

Rz. 23

Der Erbteil kann durch die Anordnung eines Vermächtnisses oder einer Auflage belastet sein. Die Beschränkungen können in der Einsetzung eines Nacherben, der Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder der Anordnung einer Teilungsanordnung bestehen. Die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten als Nacherbe steht einer Beschränkung der Erbeinsetzung gleich (§ 2306 Abs. 2 BGB). Die Vorschrift des § 2306 Abs. 2 BGB findet sowohl für die Fälle der befristeten Nacherbeneinsetzung als auch für die der aufschiebend bedingten Nacherbschaft Anwendung.[32] Die Aufzählung in § 2306 Abs. 1 BGB ist abschließend, eine Ausdehnung auf andere Tatbestände ist abzulehnen.[33]

 

Hinweis

Unterlässt der Pflichtteilsberechtigte bei einem ihm belastenden Vermächtnis (i.R.d. § 2306 Abs. 1 BGB) die Ausschlagung, so muss er die Erfüllung des Vermächtnisses auf Kosten seines Pflichtteils dulden.[34]

[30] Zum Ausschlagungsrecht beim Behindertentestament Joussen, ZErb 2003, 134; Ivo, ZErb 2004, 174.
[32] OLG Köln ZEV 2015, 280.
[33] Palandt/Weidlich, § 2306 Rn 3.
[34] Vgl. Keim, ZEV 2003, 358; OLG Celle ZEV 2003, 365.

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