Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Aufstockung des hinterlassenen Erbteils bis zum Erreichen des Pflichtteils (§ 2305 BGB) und die gesetzliche Vorschrift, dass in einem solchen Falle Beschränkungen und Beschwerungen des Erbteils als nicht angeordnet gelten, ergänzen einander, während erstgenannter Anspruch und Ausschlagungsrecht bei einem beschwerten, aber über der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil (§ 2306 Abs. 1 S. 2 BGB), um an den unbeschwerten Pflichtteil zu gelangen, einander denknotwendig ausschließen.

 

Normenkette

BGB §§ 2305-2306

 

Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 6 O 228/96)

 

Tenor

Das am 19.2.2002 verkündete Versäumnisurteil des Senats wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister. Ihre Eltern errichteten am 7.4.1972 ein gemeinschaftliches Testament, mit dem die Mutter der Parteien, …, die Beklagte zur Alleinerbin einsetzte.

Der Vater setzte die Parteien zu je als Erben ein und traf hinsichtlich der Verteilung seines Nachlasses weitere Anordnungen. § 1 des Testamentes lautet (Bl. 100ff):

„Herr … setzt hiermit seine Kinder, und zwar

1./…,

wohnhaft …,

2./Frau …,

wohnhaft …,

zu je 1/2 zu seinen Erben ein.

Für den Fall, dass einer der eingesetzten Erben den Erbfall nicht erleben sollte, sollen Ersatzerben sein dessen Kinder untereinander zu gleichen Teilen.

Herr … vermacht seiner Ehefrau … geb. … nachfolgende Vermächtnisse:

1./Frau … soll zu ihrer freien Verfügung sämtliche bewegliche Habe und sämtliches im Zeitpunkt des Todes von Herrn … vorhandenes Kapitalvermögen erhalten.

2./Frau … soll ferner ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem übrigen vorhandenen Nachlass erhalten.

Herr … trifft folgende Teilungsanordnungen:

1./Herr … soll erhalten den Herrn … gehörenden, im Grundbuch von … Blatt 2710 eingetragenen Grundbesitz unter Übernahme der auf diesem Grundbesitz ruhenden Belastungen und Übernahme des Nießbrauchsrechts zugunsten von Frau ….

2./Frau … soll erhalten den ideellen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch von … Blatt 3938 eingetragenen Grundbesitz unter Übernahme der auf diesem Grundbesitz ruhenden Belastungen und Übernahme des Nießbrauchsrechts zugunsten von Frau … sowie eines Vorkaufsrechtes für den ersten Verkaufsfall zugunsten des Sohnes der Erschienenen, … …. Das Vorkaufsrecht ist im Grundbuch einzutragen.

Sofern diese Grundstücke bzw. Grundstücksanteile nicht gleichwertig sind, ist eine Ausgleichszahlung nicht vorzunehmen.”

Die Mutter der Parteien verstarb am 19.9.1994, der Vater am 20.9.1995.

Mit der Klage macht der Kläger Pflichtteilsansprüche nach der Mutter und nach seinem Vater geltend. Der Klage auf Zahlung des Pflichtteils nach der Mutter i.H.v. 4.108,21 DM hat das LG in vollem Umfang mit dem insoweit rechtskräftig gewordenen Urt. v. 2.3.2001 entsprochen (LGU 4) = Bl. 467 d.A.

Gegenstand des Rechtsstreits sind lediglich noch Pflichtteilsansprüche des Klägers nach seinem 1995 verstorbenen Vater.

Zum Nachlass des Erblassers gehörten die schon im Testament vom 7.4.1972 bezeichneten Immobilien, nämlich das halbe Doppelhaus nebst dem ideellen hälftigen Grundstücksanteil im … und das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück im … zur ideellen Hälfte.

Das Doppelhaus im … wurde vor Testamentserrichtung erbaut, wohl 1968 (Bl. 385) und später nach dem WEG geteilt. Das Grundstück im … gehörte der Mutter der Parteien, die es geerbt hatte (Bl. 7). Im Jahre 1969 wurde es mit einem Erbbaurecht für die Dauer von 99 Jahren belastet (Bl. 396). 1963 übertrug die Mutter der Parteien das Grundstück je zur ideellen Hälfte an den Erblasser und den Kläger (Bl. 95ff, 32 oben).

Der Kläger hat den Pflichtteilsanspruch nach seinem Vater nach folgenden Nachlasswerten berechnet:

… 350.000 DM (Bl. 6)

… 35.856 DM (Bl. 9)

Pflichtteilsanspruch nach seiner Ehefrau 8.216,42 DM (Bl. 9)

Summe 394.072,42 DM

davon 1/4 98.518,10 DM

abzüglich 35.856 DM

Klageanspruch 62.662,10 DM (Bl. 10)

Zuzüglich der Pflichtteilsklage des Klägers nach der Mutter i.H.v. 4.108,21 DM hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 66.770,31 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 1.3.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, die Klage sei nicht begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 466).

Das LG hat den Pflichtteilsanspruch nach der Mutter in vollem Umfang zuerkannt und nach Beweiserhebung über den Wert der Grundstücke … und … auf den Pflichtteilsanspruch nach dem Vater 1.580,73 DM zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen abgewiesenen Pflichtteilsanspruch nach seinem Vater i.H.v. 44.370,26 DM weiter (Bl. 505, 506).

Er meint, zwar sei er zu 1/2 zum Miterben bestimmt worden (BB 3 unter 2a = Bl. 507), tatsächlich sei die ihm hinterlassene Hälfte aber kleiner als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Unter Zugrundelegung der vom LG nach Beweisaufnahme anges...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge