Rz. 68

Im selbstständigen Beweisverfahren, das isoliert außerhalb eines Streitverfahrens stattfindet, können dem RA bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr nach Nrn. 3100 ff. VV RVG (bzw. in der Rechtsmittelinstanz nach Nrn. 3200 ff. VV RVG) erwachsen:

Die Verfahrensgebühr entsteht mit der Einreichung des Antrages auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens. Bei vorzeitiger Erledigung des Auftrages vor Einreichung des Antrages bei Gericht erhält der RA gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG nur eine Gebühr in Höhe von 0,8 (bzw. 1,1 in der Berufungsinstanz nach Nr. 3201 VV RVG). Sollte es später noch zu einem Hauptverfahren kommen, ist nach der Anrechnungsvorschrift aus Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV RVG die Verfahrensgebühr aus dem selbstständigen Beweisverfahren auf die Verfahrensgebühr des Hauptprozesses anzurechnen.
Die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG (Berufung Nr. 3202 VV RVG) erhält der RA nur, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Das Gericht kann über den Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 490 Abs. 1 ZPO). Wenn eine mündliche Verhandlung über den Antrag stattfindet, entsteht die Terminsgebühr. Über den Antrag wird jedoch in der Regel ohne mündliche Verhandlung entschieden. Andererseits könnte das Gericht die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn dabei eine Einigung der Parteien zu erwarten ist (§ 492 Abs. 3 ZPO). Das Entstehen einer Terminsgebühr ist im selbstständigen Beweisverfahren also eher unwahrscheinlich, es sei denn, es kommt zu außergerichtlichen Besprechungen, die der Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens dienen sollen.
Für sehr umfangreiche Beweisaufnahmen in einem Verfahren gibt es eine Zusatzgebühr neben der Verfahrens- und der Terminsgebühr. Die 0,3 Beweisgebühr nach Nr. 1010 VV RVG darf jedoch nur berechnet werden, wenn mindestens drei gerichtliche Beweistermine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen umfangreich vernommen werden. Alles Weitere hierzu in Rdn 23.

Eine 1,5 Einigungsgebühr kann nach Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG zusätzlich anfallen. Der Gebührensatz der Einigungsgebühr beträgt hier 1,5, denn in Nr. 1003 VV RVG ist das selbstständige Beweisverfahren ausdrücklich von der Gebührenreduzierung ausgeschlossen! Der Gebührensatz in der Berufungsinstanz beträgt auch 1,5. (Zur Einigungsgebühr siehe auch § 2 Rdn 166 ff.)

Die Möglichkeit des Abschlusses eines Vergleichs im selbstständigen Beweisverfahren ist in § 492 Abs. 3 ZPO ausdrücklich vorgesehen; Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens kann auch die Vermeidung eines Rechtsstreits sein (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO). Zur mündlichen Erörterung sollen die Parteien geladen werden, wenn das Gericht eine Einigung der Parteien erwarten kann. Ein in diesem Erörterungstermin geschlossener Vergleich über die Hauptsache ist dann zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen.

 

Hinweis:

Falls in den Vergleich noch nicht gerichtlich geltend gemachte Ansprüche einbezogen werden, entsteht für diese nicht rechtshängigen Ansprüche eine verminderte Differenzverfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG (Berufung: Nr. 3201 Anm. Ziff. 2 VV RVG) sowie eine 1,5 (auch in der Berufungsinstanz!) Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG (siehe Rdn 28 ff.). Da hier eine normale und eine verminderte Verfahrensgebühr entstehen, ist die Kappung nach § 15 Abs. 3 RVG zu beachten.

 

Rz. 69

Der Gegenstandswert des selbstständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem Wert der (späteren) Hauptsache, eventuell kann er auch niedriger liegen, wenn nur über einen Teil der Hauptsache Beweis im selbstständigen Beweisverfahren erhoben werden soll.

Im selbstständigen Beweisverfahren kann die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungsentgelte (Nr. 7002 VV RVG) berechnet werden, da es sich um eine eigene Angelegenheit handelt.

 

Beispiel:

Zur vorsorglichen Beweissicherung für eine Schmerzensgeldforderung von 3.000,00 EUR wegen eines ärztlichen Kunstfehlers soll sofort ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt werden. RA Gemeiner reicht den Antrag beim zuständigen Gericht ein. Das Gericht gibt dem Antrag durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung statt. Das Gericht lässt den todkranken Antragsteller Pechner von einem Sachverständigen untersuchen. Eine mündliche Erörterung des Gutachtens findet nicht statt.

Sofort nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens übersendet RA Gemeiner seinem todkranken Auftraggeber die Vergütungsrechnung, die bezahlt wird.

Gegenstandswert: 3.000,00 EUR

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG 288,60 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    308,60 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 58,63 EUR
    367,23 EUR
 

Beispiel:

Zur vorsorglichen Beweissicherung wegen eines undichten Daches soll im selbstständigen Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten erstellt wer...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge