Rz. 23

Die Vergütungsvereinbarung darf nicht wegen Täuschung oder Drohung wirksam angefochten und damit nichtig sein. Die Fälle der rechtswidrigen Drohung (§ 123 BGB) sind u.a. dann zu problematisieren, wenn der Anwalt die Übernahme oder Fortführung des Mandates davon abhängig macht, dass der Auftraggeber mit ihm eine entsprechende Vergütungsvereinbarung trifft. Die herrschende Rechtsprechung sieht allerdings allein die Weigerung des Anwalts, ein Mandat ohne Vergütungsvereinbarung zu übernehmen oder fortzuführen, nicht als Anfechtungsgrund an.[22] Denn grundsätzlich ist der Anwalt frei in seiner Entscheidung, welche Aufträge er zu welchen konkreten Konditionen annehmen oder weiterführen will. Eine Ausnahme kann jedoch dann gelten, wenn die Ablehnung oder Kündigung des Auftrags zur Unzeit, also z.B. unmittelbar vor einem Fristablauf erfolgt: Auch hier wird aber eine Einzelfallbetrachtung nötig sein, schließlich ist der mit einem Mandat noch nicht betraute Anwalt auch kurz vor Ende einer maßgeblichen Frist nicht verpflichtet, das Mandat zu den vom Mandanten gewünschten Bedingungen anzunehmen. Eine rechtswidrige Drohsituation wird aber insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Anwalt "auf Zeit spielt" und damit eine Zwangslage des Mandanten hervorruft. Das kann der Fall sein, wenn er die rechtzeitige Bitte eines Rechtssuchenden, ein fristgebundenes Rechtsmittel durchzuführen, unangemessen lange nicht beantwortet und die Übernahme – kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist – von der Unterzeichnung einer Honorarvereinbarung abhängig macht, welche eine Vergütung oberhalb der gesetzlichen Vergütung vorsieht.

 

Rz. 24

Nach § 3a Abs. 2 RVG ist eine Vereinbarung, die ein unangemessen hohes Honorar enthält, nicht automatisch nichtig,[23] sondern kann im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden. Eine allgemeingültige Grenze, ab der eine vereinbarte Vergütung im Verhältnis zur gesetzlichen Vergütung unangemessen hoch oder wegen Wuchers nichtig ist, gibt es nicht. Eine pauschale Betrachtungsweise – etwa die Ermittlung des Quotienten zwischen der vereinbarten und der gesetzlichen Vergütung oder eine allgemein verbindliche Honorargrenze – ist abzulehnen. Im Hinblick auf die Vertragsfreiheit sowie die freie Möglichkeit der Anwaltswahl ist die Rechtsprechung mit Recht sehr zurückhaltend bei der Feststellung der Unangemessenheit. Diese wurde beispielsweise verneint bei:

einem Stundensatz von 200 EUR, auch wenn das Honorar im Ergebnis das 16-fache der gesetzlichen Gebühren übersteigt,[24]
einem Zeithonorar, das im Ergebnis über dem dreifachen der gesetzlichen Gebühren liegt,[25]
einem Stundensatz von 300 EUR, wenn der Anwalt auf das betreffende Fachgebiet spezialisiert ist und die Angelegenheit besondere Bedeutung hat,[26]
einem Stundensatz von 250 EUR,[27]
einem Honorar, das das Fünffache der gesetzlichen Gebühren übersteigt.[28]
 

Rz. 25

Der BGH hatte hinsichtlich des letzten Punktes (ein die gesetzlichen Gebühren um ­mehr als das Fünffache übersteigendes Honorar) zunächst vertreten,[29] dass in solchen Fällen eine tatsächliche Vermutung für die Unangemessenheit spreche, die nur in ganz ungewöhnlichen und extremen Ausnahmefällen widerlegt werden könne. Nachdem das BVerfG[30] diese Rechtsprechung als verfassungswidrig eingestuft hat, vertritt der BGH in einer weiteren Entscheidung[31] einen abgemilderten Prüfungsmaßstab: Die Vermutung der Unangemessenheit könne schon dann entkräftet werden, wenn der Anwalt darlege, dass die Vergütung unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände angemessen war. Das OLG Düsseldorf stellte etwa jüngst fest, dass es bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines anwaltlichen Zeithonorars, welches um das Sechsfache im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung erhöht ist, einen maßgeblichen Gesichtspunkt darstelle, ob die Erhöhung auf der Höhe des Stundensatzes oder auf den angefallenen Tätigkeitsstunden beruht. Wenn die Höhe des Honorars auf den hohen Zeitaufwand zurückzuführen sei, spreche dies gegen eine Sittenwidrigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für ein unangemessenes Aufblähen der Arbeitszeit vorlägen.[32]

Zudem hat der BGH eine formularmäßige Klausel beim Einsatz gegenüber Verbrauchern für unwirksam erklärt, nach der der Rechtsanwalt eine Vergütung des Dreifachen der gesetzlichen Vergütung erhält, wenn das Mandat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mandanten betrifft und die Vergütungsvereinbarung zusätzlich eine Erhöhung des Gegenstandswerts um die Abfindung vorsieht.[33]

 

Rz. 26

Eine vereinbarte Zeitvergütung ist dann angemessen, wenn der Stundensatz angemessen ist und der Zeitaufwand nachvollziehbar dargelegt wird.[34]

Betrifft die Vergütungsvereinbarung die außergerichtliche Vertretung des Mandanten, so sollte auch die Anrechnung dieser Vergütung auf spätere (gerichtliche) Gebühren ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss erfolgt allerdings nur vorsorglich. Denn eigentlich bezieht sich die Anrechnungsvorschrift der Vorb. 3...

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