Rz. 18

Typischerweise läuft das Verfahren bei der Einschaltung eines Prozessfinanzierers wie folgt ab: In den meisten Fällen ist der Mandant bereits anwaltlich vertreten. Der Anwalt hat auch bereits aufgrund seiner eigenen Einschätzung die Erfolgsaussichten des Falles als positiv beurteilt und seinem Mandanten daher zur Prozessführung geraten. Finanziert werden können grundsätzlich aber auch Fälle, in denen das Verfahren bereits bei Gericht anhängig ist.

 

Rz. 19

Um den Anwalt in die Lage zu versetzen, Kontakt mit dem jeweiligen Prozessfinanzierer aufzunehmen, ist seine Entbindung von der Schweigepflicht durch den Mandanten erforderlich. Der Rechtsanwalt nimmt sodann telefonisch mit einem oder mehreren Finanzierungsunternehmen Kontakt auf, um abzuklären, ob generelles Interesse an dem konkreten Fall besteht und falls ja, welche Unterlagen der Finanzierer für eine Prüfung benötigt. Dann reicht der Anwalt bei dem Prozessfinanzierer diese maßgeblichen angeforderten Unterlagen zur Prüfung ein. Aus diesen Unterlagen – im Regelfall wird der Finanzierer zumindest einen groben Klageentwurf verlangen – sollten sich im Wesentlichen der Anspruchsinhaber sowie der Gegner, der Inhalt des Anspruchs und eine kurze Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts sowie entscheidende Tat- bzw. Rechtsfragen ergeben. Auch Angaben zu möglichen Gegenansprüchen und zum aktuellen Stand des Verfahrens sowie zu Fragen der Verjährung sind für die interne Prüfung durch den Prozessfinanzierer erfahrungsgemäß erforderlich.

Oftmals wird auch die Einreichung eines bereits fertig gestellten Klageentwurfs sowie der maßgeblichen bereits gewechselten Korrespondenz erwartet. Ist das Verfahren bereits vor Gericht anhängig, wird der Finanzierer sämtliche gerichtlich gewechselten Schriftsätze einsehen wollen.

 

Rz. 20

Soweit bereits Informationen über die Bonität des Anspruchsgegners vorliegen, sollten auch diese eingereicht werden. Für die interne Entscheidungsfindung beim Prozessfinanzierer sind nämlich nicht nur die juristischen Erfolgsaussichten des Verfahrens, sondern auch die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der verfolgten Ansprüche von Bedeutung, da der Finanzierer nur dann die Rückerstattung der durch ihn verauslagten Kosten und seine Erfolgsbeteiligung erhält, wenn und sobald vom Prozessgegner Zahlung erlangt werden kann. Der Prozessfinanzierer trägt also nicht nur das Risiko, dass die Klage ganz oder teilweise abgewiesen wird, sondern auch das Risiko, dass ein titulierter Anspruch nicht – auch nicht im Wege der Zwangsvollstreckung – beigetrieben werden kann.

Die Prüfung der Angelegenheit durch den Prozessfinanzierer kann durchaus mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund ist es ratsam, rechtzeitig und nicht etwa kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist oder der Berufungsbegründungsfrist beim Finanzierer anzufragen.

 

Rz. 21

Der Prozessfinanzierungsvertrag wird stets nur zwischen dem Mandanten – im Regelfall also dem Kläger[29] – und dem Prozessfinanzierer abgeschlossen und wirkt sich auf die Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Regelfall zunächst nur insoweit aus, als dass er die zusätzliche Aufgabe übernehmen muss, den Finanzierer über den Stand bzw. die Entwicklungen des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten. Vertragspartner des Rechtsanwalts ist und bleibt jedoch sein Mandant. Irgendwelche Änderungen der Anwalt-Mandanten-Beziehung wären bereits aus standesrechtlichen Gründen nicht denkbar. Erfahrungsgemäß führt der offene Meinungsaustausch zwischen Rechtsanwalt und den auf Seiten des Finanzierers beschäftigten Rechtsanwälten zu Vorteilen für den Rechtsanwalt, da er von den Erfahrungen des Finanzierers aus anderen Verfahren profitieren kann. Zumindest erhält er einen juristisch ausgebildeten Ansprechpartner, mit dem er seinen Fall diskutieren kann.

 

Rz. 22

Nach außen hin wird der Abschluss des Finanzierungsvertrages oftmals im Laufe des gesamten Gerichtsverfahrens überhaupt nicht publik. Vielmehr bleibt der Prozessfinanzierer stets im Hintergrund; nach außen hin ist und bleibt der Mandant vollständig Herr des Verfahrens und klagt daher seine Ansprüche auch stets im eigenen Namen ein.

[29] Im Hinblick auf die besonderen Gegebenheiten in erbrechtlichen Angelegenheiten kommt im Einzelfall auch eine Prozessfinanzierung auf der Beklagtenseite in Betracht.

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