Rz. 8

Eine wichtige Entscheidung, die viel Aufmerksamkeit erfahren hat, hat das Verwaltungsgericht Hannover[7] im April getroffen: Im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren obsiegte der Antragsteller, da das Gericht verfassungsmäßige Zweifel hatte, weil es eine unechte Rückwirkung bejahte. Um dies nachvollziehen zu können, ist es erforderlich, die Daten genau zu kennen, die in der Entscheidung so wiedergegeben werden:

Zitat

"Danach ging der Antragsgegner zunächst zu Recht davon aus, dass der Antragsteller am 1.5.2014 einen umrechnungsfähigen Punktestand von 8 Punkten aufwies. Diese 8 Punkte (alt) rechnete der Antragsgegner gem. § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG korrekt in einen Punktestand von 4 Punkten (neu) um. Ebenso korrekt rechnete der Antragsgegner für den Verkehrsverstoß vom 10.5.2014 für den Antragsteller 2 Punkte (neu) hinzu. Da dieser Verstoß erst nach Inkrafttreten der neuen Gesetzeslage begangen, rechtskräftig geahndet und gespeichert wurde, bestehen diesbezüglich keine Besonderheiten."

Den Verkehrsverstoß vom 6.12.2012, rechtskräftig geahndet am 7.10.2014, bewertete der Antragsgegner nach der neuen Gesetzeslage, denn dieser Verstoß wurde erst am 11.11.2014 im Fahreignungs-Register gespeichert. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG ist deshalb auf diesen Verstoß bereits das StVG und die FeV in der ab dem 1.5.2014 geltenden Fassung anzuwenden. Nach Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV ist die vom Antragsteller begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 86 km/h (Nr. 11.1.10 BKat) mit 2 Punkten (neu) zu bewerten.

Damit würden sich für den Antragsteller insgesamt 8 Punkte (neu) ergeben, sodass ihm gem. § 4 Abs. 5 Nr. 3 StVG zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen wäre.

Wenn jedoch der Verkehrsverstoß vom 6.12.2012 entgegen der gesetzlichen Regelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG noch nach altem Recht gewertet würde, würde dies zu einem anderen Ergebnis führen. Der Verstoß wäre nach altem Recht (Nr. 4.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV) mit 4 Punkten zu bewerten gewesen, sodass der Antragsteller dann am 1.5.2014 12 Punkte (alt) erreicht hätte, welche in 5 Punkte (neu) umzurechnen gewesen wären. Nach Hinzurechnung der 2 Punkte (neu) für den Verstoß vom 10.5.2014 würden sich dann insgesamt nur 7 Punkte (neu) ergeben, sodass eine Entziehung der Fahrerlaubnis derzeit noch nicht in Betracht käme.“ (Hervorhebungen durch die Autorin)

Das Gericht erkennt dann richtig, dass die Rechtsfolge "Entziehung der Fahrerlaubnis" damit davon abhängig ist, wie schnell die rechtskräftige Ahnung dieses Verstoßes erfolgt und wie schnell die Speicherung im Kraftfahrtbundesamt vorliegt: Ist sie vor dem 1.5.2014 erfolgt, darf die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden; erfolgt die Speicherung nach neuem Recht, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde vorzunehmen. Da der Eintragungszeitpunkt damit den Bestand der Fahrerlaubnis betrifft, stellt sich die Frage, ob denn der Betroffene selbst hierauf Einfluss nehmen konnte, was sicherlich zu verneinen ist. Damit ist aber der von Kalus[8] benannte "Zufallsgenerator" im Spiel: Selbst wenn der Betroffene ggf. durch die Einlegung von Rechtsmitteln zur Verzögerung beigetragen hat, kann er jedenfalls nicht auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit des Kraftfahrtbundesamtes bei der Speicherung Einfluss nehmen. Das Verwaltungsgericht hielt daher die Frage, ob die Regelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG vor diesem Hintergrund einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand hält, für eingehend zu prüfen im Hauptsacheverfahren und gab dem Antrag dann insoweit statt.

[7] Beschl. v. 17.4.2015 – 15 B 1883/15, DV 2015, 162.
[8] Informationssystem mit Zufallsgenerator, VD 2015, 199 ff.

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