Rz. 74

Abs. 3 bestimmt, dass Beschlüsse, die die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben, auch demjenigen selbst bekannt zu geben sind, für den das Rechtsgeschäft genehmigt werden soll.

 

Rz. 75

Diese Vorschrift ist die Konsequenz einer Entscheidung des BVerfG, die der Gesetzgeber zu treffen hatte. Zum Verständnis ist ein Blick in die Vergangenheit erforderlich:

Das Genehmigungsverfahren selbst war bisher nur rudimentär in den §§ 55, 62 FGG geregelt. Die bisherige Genehmigungspraxis der Nachlassgerichte in der Bundesrepublik Deutschland kann nur als uneinheitlich bezeichnet werden. Diese Situation ist insbesondere auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.1.2000 zurückzuführen.[32] Das Bundesverfassungsgericht hatte die §§ 55 und 62 FGG insoweit mit Art. 19 Abs. 4 GG für unvereinbar erklärt, als sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers einer Prüfung durch den Richter zu unterziehen.

 

Rz. 76

In dem Fall, den das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte, gab es eine unauseinandergesetzte Erbengemeinschaft. Dieser gehörte ein Geschäftshaus in Schwerin. Die Witwe des Erblassers hatte ½ Anteil, weitere zwei Miterben einen Anteil von je ¼. Als die Witwe verstarb, wurde ein Nachlasspfleger eingesetzt. Eine Miterbin wollte das Objekt übernehmen. Sie legte dem Nachlasspfleger ein Gutachten über 176.000 DM vor. Das Geschäftshaus war mit 60.000 DM belastet. Die Belastung wollte die Miterbin auch übernehmen und unterbreitete dem Nachlasspfleger das Angebot, 58.000 DM zu zahlen. Der Nachlasspfleger war einverstanden. Das Nachlassgericht ignorierte im Genehmigungsverfahren der Auseinandersetzung die inzwischen aufgefundenen Erben der Witwe und hörte diese nicht an. Die Erklärungen des Nachlasspflegers wurden vom zuständigen Nachlassgericht genehmigt. Der Genehmigungsbeschluss wurde dem Notar übermittelt. Der zugrunde liegende Vertrag, ausgestattet mit einer sogenannten Doppelvollmacht, war mit Eingang der Genehmigungserklärung des Gerichts bei dem Notar wirksam geworden. Die übergangene Miterbin legte beim Nachlassgericht Rechtsmittel ein. Landgericht und OLG verwarfen das jeweilige Rechtsmittel. Nur die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

 

Rz. 77

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung der Miterbin nicht deshalb entbehrlich war, weil der Nachlasspfleger, der der gesetzliche Vertreter der endgültigen Erben ist, am Genehmigungsverfahren beteiligt war. Denn im Regelfall kann das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll. Im Ergebnis wurde die nachlassgerichtliche Entscheidung aufgehoben. Der Gesetzgeber sollte durch geeignete Regelungen dafür sorgen, dass "in Fällen wie dem vorliegenden die zum faktischen Rechtswegausschluss führenden Rechtsfolgen der §§ 62, 55 FGG nicht eintreten, bevor den Betroffenen Gelegenheit gegeben worden ist, eine Überprüfung durch den Richter herbeizuführen." Das Bundesverfassungsgericht verwies insoweit auf den im Erbscheinsverfahren bekannten sogenannten Vorbescheid.

 

Rz. 78

In der Folgezeit erließen die Nachlassgerichte entweder den Vorbescheid oder bestellten einen Verfahrenspfleger, um den unbekannten Erben "rechtliches Gehör" zu garantieren. Denn die Verfügung des Nachlassgerichts konnte dann unabänderlich werden, wenn sie dem anderen Vertragsteil mitgeteilt und somit das Rechtsgeschäft wirksam geworden war. Der Vertragspartner sollte in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts geschützt werden. Weder das erstinstanzliche Gericht noch das Gericht der einfachen und weiteren Beschwerde konnten eine gegenüber dem Vertragspartner wirksam gewordene Genehmigung abändern oder aufheben. Das Gesetz stellte damit den Vertrauensschutz des Vertragspartners und des Rechtsverkehrs auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts über das Rechtsschutzinteresse der unbekannten Erben an der inhaltlichen Richtigkeit der Gerichtsentscheidung.

 

Rz. 79

Mit dem FamFG hat der Gesetzgeber die Regelungen des FGG, die von dem BVerfG mit Art. 19 Abs. 4 GG für unvereinbar erklärt wurden, neu gestaltet. Die Genehmigung des Nachlassgerichts wird nunmehr gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 FamFG erst mit formeller Rechtskraft (§ 45 FamFG) wirksam, was das Gericht ausdrücklich in der Entscheidung auszusprechen hat. Den Beteiligten ist durch die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG stets eine Möglichkeit zur Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung eingeräumt. Das FamFG setzt an die Stelle des Vorbescheides mithin die Rechtskraftlösung.[33]

Damit stellt sich das Problem der Rechtskraft der Entscheidung, denn den unbekannten Erben kann der Beschluss nicht bekannt gegeben werden.

 

Rz. 80

Die Beteiligung des Nachlasspflegers am Genehmigungsverfahren als Vertreter der unbekannten Erben genügt nicht, da der Nachlasspfleger die Genehmigung beantragt hat, also mit eigenem Interesse an diesem Verfahren teilnimmt u...

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