Rz. 102

Das Nachlassinsolvenzverfahren kann gem. § 320 InsO durchgeführt werden bei

Zahlungsunfähigkeit
Überschuldung sowie bei
Antragstellung durch Erbe, Nachlasspfleger (auch Nachlassverwalter) oder Testamentsvollstrecker auch bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit, § 320 InsO.

Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über.

Eine etwa bestehende Nachlassverwaltung endet gemäß § 1988 Abs. 1 BGB mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Nachlasspflegschaft wird nicht automatisch beendet.[195] Auch eine Testamentsvollstreckung bleibt bestehen, unterliegt aber Beschränkungen, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Insolvenzverwalter liegt.[196] Der Testamentsvollstrecker verwaltet damit im Wesentlichen noch die unpfändbaren Gegenstände, die nach § 35 InsO nicht in die Masse fallen und macht die Rechte der Erben gegen den Insolvenzverwalter geltend.[197]

 

Rz. 103

Ein laufender Prozess wird unterbrochen, wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, §§ 240, 241 Abs. 3 ZPO, § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB.[198] Die Prozessführungsbefugnis geht gem. § 1984 Abs. 1 S. 1, 3 BGB, § 80 Abs. 1 InsO auf ihn über.

 

Rz. 104

War bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet, wird es grundsätzlich in der Form der Nachlassinsolvenz fortgeführt.[199]

[196] Bengel/Reimann/Reimann/J. Klinger, § 7 Rn 42.
[197] Isekeit/Weiß, ZErb 2016, 249, 252; Bengel/Reimann/Reimann/J. Klinger, § 7 Rn 42.
[198] LG Karlsruhe, Beschl v. 21.2.2014 – 20 T 19/13, Rn 14, zit. nach juris: Bei unbeschränkter Erbenhaftung tritt keine Unterbrechung des Verfahrens ein.
[199] BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZEV 2008, 350; Andres/Leithaus-Andres, § 316 Rn 7; vgl. Busch, ErbR 2012, 358, 364 zur Frage, ob eine Restschuldbefreiung für den Erben möglich ist.

aa) Zuständiges Gericht

 

Rz. 105

Zuständiges Gericht ist ausschließlich das Amtsgericht als Insolvenzgericht[200] am allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers, § 315 InsO. Eine Ausnahme gilt nach § 315 S. 2 InsO für den Fall, dass der Mittelpunkt der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort lag (ausschließlicher Gerichtsstand).

[200] § 2 InsO – also nicht das Nachlassgericht.

bb) Antragsberechtigung und -form

 

Rz. 106

Antragsberechtigt sind nach § 317 Abs. 1 InsO Erben, Nachlasspfleger,[201] Nachlassverwalter, Nachlassgläubiger und Testamentsvollstrecker.

Jeder Miterbe ist zur Beantragung der Nachlassinsolvenz nach § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, sobald er von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt hat. Die Antragstellung hat unverzüglich (§ 121 BGB) zu erfolgen. Anderenfalls schulden die Erben den Nachlassgläubigern Schadensersatz nach § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB. Gleiches gilt nach § 1985 Abs. 2 BGB für den Nachlassverwalter. Anders ist dies für den Nachlasspfleger und den verwaltenden Testamentsvollstrecker – ihnen steht lediglich das Recht nach § 317 InsO zu, allerdings besteht keine Pflicht den Gläubigern gegenüber.[202] Ggf. haften sie jedoch den Erben.[203]

 

Rz. 107

Vor Annahme der Erbschaft besteht keine Antragspflicht des Erben.[204] Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, besteht eine Antragspflicht nach Ansicht des BGHs auch dann, wenn um sein Erbrecht gestritten wird.[205] Gleichzeitig führt das Gericht aber aus, dass dieser Erbe dem Insolvenzgericht wie ein bloßer Erbprätendent erscheinen kann, weswegen er "kaum in der Lage sein [dürfte[206]], ein Insolvenzverfahren in Gang zu setzen, weil es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts ist, die Erbenstellung zu klären."[207] Auch Kommentierungen, die die Pflicht zur Antragstellung nur dem endgültigen Erben aufbürden,[208] helfen nicht weiter, da es zum Zeitpunkt der notwendigen Antragstellung gerade nicht klar ist, wer das nun ist.

Scheinbar entläßt der BGH den Erben wieder aus der Pflicht, wenn das Insolvenzgericht den Antrag mangels Antragsbefugnis wegen der bestrittenen Erbenstellung zurückweisen würde.[209] Aber muss der Erbe diesen Antrag tatsächlich stellen, um mit der Zurückweisung sicher der Haftung entgehen zu können? Als Berater wird man sicherheitshalber wohl zu diesem Schritt raten müssen.[210] Das Insolvenzgericht sähe sich sodann Anträgen aller Prätendeten ausgesetzt, die sicherheitshalber einen Antrag stellen. Marotzke verweist darauf, den Nachlasspfleger zu informieren[211] – aber nicht immer besteht eine Nachlasspflegschaft.

 

Rz. 108

Durch die Entscheidung vervielfachen sich nach hiesiger Ansicht potentiell die zur Antragstellung verpflichteten Personen. In der Regel wird jeder weitere Erbprätendent die Erbschaft angenommen haben und ist dann nach der Argumentation des BGH zur Antragstellung grundsätzlich verpflichtet und könnte bzw. müsste vorsichtshalber einen Antrag an das Insolvenzgericht stellen.

Nach hier vertretener Ansicht ist der Entscheidung des BGH dennoch beizupflichten. Beansprucht eine Person eine Vermögensposition, sollte sie sich auc...

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