Rz. 46

Bei Anwendung der Gesamtbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert durch Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag ermittelt. Der Unternehmenswert (als Marktwert des Eigenkapitals) lässt sich rechentechnisch direkt durch Netto-Kapitalisierung (bspw. Ertragswertverfahren) oder indirekt durch Brutto-Kapitalisierung (bspw. WACC-Ansatz) ermitteln.[84] Der Unterschied ergibt sich aus der Behandlung des Fremdkapitals.

 

Rz. 47

Bei der Netto-Kapitalisierung wird der Marktwert des Eigenkapitals in einem Schritt ermittelt. Dabei werden direkt die dem Eigenkapitalgeber zustehenden, d.h. bereits um Fremdkapitalzinsen verminderten finanziellen Überschüsse prognostiziert und mit den risikoäquivalenten Eigenkapitalkosten diskontiert. Bei der indirekten Brutto-Kapitalisierung werden zunächst die den Eigen- und Fremdkapitalgebern zustehenden finanziellen Überschüsse mit unterschiedlichen Zinssätzen diskontiert. Ergebnis ist der Gesamtunternehmenswert (Entity Value). Grundlage der auf der Brutto-Kapitalisierung basierenden Methoden sind die vom zu bewertenden Unternehmen erwirtschafteten operativen Überschüsse vor Abzug der Fremdkapitalkosten. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich dann nach Abzug des Fremdkapitals.[85]

 

Rz. 48

Ertragswert- und Discounted Cash Flow-Verfahren beruhen auf dem gleichen investitionstheoretischen Fundament (Kapitalwertkalkül). Konzeptionell können mit beiden Bewertungsmethoden sowohl objektivierte Unternehmenswerte als auch subjektive Entscheidungswerte ermittelt werden. Bei gleichen Bewertungsannahmen führen die einzelnen Verfahren zu identischen Ergebnissen.[86] Werden in der Praxis unterschiedliche Unternehmenswerte aufgrund der beiden Verfahren beobachtet, so ist dies regelmäßig auf unterschiedliche Annahmen und Vereinfachungen – insbesondere hinsichtlich Kapitalstruktur, Risikozuschlag und anderer Planannahmen – zurückzuführen.[87] Die Wahl zwischen Ertragswert- und DCF-Methode allein hat grundsätzlich keinen Einfluss auf das Bewertungsergebnis.[88]

[84] Siehe ausführlich zu den Unterschieden der Verfahren Ballwieser, Verbindungen von Ertragswert- und Discounted-Cash-Flow-Verfahren, S. 573 ff.
[85] Vgl. Bewertung und Transaktionsberatung, 2018, Abschnitt A, Rn 122.
[86] Vgl. Ballwieser/Hachmeister, Unternehmensbewertung, S. 199.
[87] Vgl. IDW S 1 (2008), Rn 101.
[88] Vgl. Ballwieser, Verbindungen von Ertragswert- und Discounted-Cash-Flow-Verfahren, S. 577.

1. Ertragswertverfahren

 

Rz. 49

Bei dem Ertragswertverfahren wird der Unternehmenswert durch Diskontierung der den Unternehmenseignern in Zukunft aus dem Unternehmen zufließenden, um Fremdkapitalkosten verminderten Erträge ermittelt. Die Prognose der zukünftigen Erträge erfolgt auf Basis der geplanten (handelsrechtlichen) Jahresüberschüsse. Die finanziellen Überschüsse sind mit den risikoadäquaten Eigenkapitalkosten auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen, um sie mit der dem Investor zur Verfügung stehenden Alternativanlage vergleichbar zu machen. Der in den Eigenkapitalkosten enthaltene Risikozuschlag muss sowohl das operative Risiko als auch das Kapitalstrukturrisiko des zu bewertenden Unternehmens erfassen.[89]

[89] Vgl. Bewertung und Transaktionsberatung, 2018, Abschnitt A, Rn 132.

2. DCF-Verfahren

 

Rz. 50

Bei den Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) wird der Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftiger Cash Flows ermittelt. Je nach Definition der bewertungsrelevanten Cash Flows und der anzuwendenden Diskontierungssätze können mehrere DCF-Verfahren unterschieden werden. Hierbei sind insbesondere der Flow to Equity (FtE)-Ansatz, der Weighted Average Cost of Capital (WACC)-Ansatz und der Adjusted Present Value (APV)-Ansatz zu nennen.[90]

 

Rz. 51

Bei dem Flow to Equity-Ansatz handelt es sich, ebenso wie bei dem Ertragswertverfahren, um eine Methode der Nettokapitalisierung. Der Marktwert des Eigenkapitals wird direkt durch Abzinsung der um die Fremdkapitalkosten verminderten erwarteten Cash Flows mit den Eigenkapitalkosten des verschuldeten Unternehmens ermittelt.[91]

 

Rz. 52

Bei dem WACC-Ansatz werden sämtliche, den Kapitalgebern zufließende Cash Flows mit den gewichteten Kapitalkosten abgezinst. Basis für die Ermittlung sind die finanziellen Überschüsse, die den Kapitalgebern eines fiktiv unverschuldeten Unternehmens insgesamt zur Verfügung stehen (sog. Free Cash Flows).[92] Durch die Abzinsung mit einem gewogenen durchschnittlichen Kapitalkostensatz der Eigen- und Fremdkapitalgeber (WACC) gelangt man unter Berücksichtigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalkosten zum Gesamtunternehmenswert. Von diesem ist der Marktwert des Fremdkapitals in Abzug zu bringen, um indirekt den Marktwert des Eigenkapitals (Unternehmenswert der Eigenkapitalgeber) zu erhalten. Der in den Eigenkapitalkosten enthaltene Risikozuschlag muss ebenfalls sowohl das operative Risiko als auch das Kapitalstrukturrisiko des Bewertungsobjekts berücksichtigen.

 

Rz. 53

Bei dem Konzept des angepassten Barwerts (APV-Ansatz) wird der Gesamtunternehmenswert k...

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