Rz. 24

Grundsätzlich bedarf eine Vollmacht keiner Form, außer das Gesetz schreibt für den Einzelfall eine bestimmte Form der Vollmacht vor. Zu nennen sind nachfolgende, in der Praxis übliche Rechtsgeschäfte:[44]

Ausschlagung und Anfechtung der Erbschaftsannahme: öffentliche Beglaubigung nach §§ 1955 S. 2, 1945 Abs. 3 BGB
Behördliche Verfahren: § 14 Abs. 1 S. 3 VwVfG
Bürgschaft: schriftlich, teleologische Einschränkung des § 167 Abs. 2 BGB durch die Rechtsprechung, und zwar aufgrund des Schutzzecks des § 766 BGB[45]
Erbverzichtsvertrag bzw. Erbschaftskauf (§§ 2348, 2351, 2352 BGB; §§ 2371, 2385 BGB): Es wird die Einschränkung von § 167 Abs. 2 BGB mit Folge des Schriftformerfordernisses überzeugend vertreten.[46]
Gerichtliche Verfahren: schriftlich auf Verlangen nach §§ 80, 54 ZPO, § 11 FamFG, § 67 Abs. 6 VwGO, § 22 BVerfGG
GmbH-Gesellschafter zur Abstimmung: Textform nach § 47 Abs. 3 GmbHG, bei AG Textform gem. § 134 Abs. 3 AktG
GmbH-Gesellschaftsvertrag: notarielle Beglaubigung nach § 2 Abs. 2 GmbHG
Grundstücksgeschäfte: Zu unterscheiden ist zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag und Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt.[47] Aus § 167 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass für die Vertretung bei einem Vertrag, mit dem Eigentum an einem Grundstück übertragen oder erworben wird, für den § 311b Abs. 1 S. 1 BGB die notarielle Beurkundung vorsieht, die entsprechende Vollmacht formfrei erteilt werden kann.[48] Für den Vollzug eines solchen Vertrages ist für die Vertretung aber eine öffentlich beglaubigte Vollmacht erforderlich (§ 29 GBO), so für die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen.
Güterregister, Eintragung: öffentlich beglaubigte Vollmacht.[49]
Handelsregister: öffentliche Beglaubigung für Anmeldungen (§ 12 Abs. 1 S. 2 HGB)
Patientenverfügung:[50] schriftlich nach § 1827 Abs. 1 BGB (§ 1901a Abs. 1 BGB a.F.), sonst mutmaßlicher Wille des Patienten
Schenkungsversprechen: notarielle Beurkundung, da § 167 Abs. 2 BGB teleologisch zu reduzieren ist.[51] Schließlich dient § 518 Abs. 1 BGB einer Warnfunktion und einem Übereilungsschutz.
Schiedsvereinbarung bei Verbrauchern: str., ob schriftlich (vgl. § 1031 Abs. 5 ZPO)[52]
Unwiderrufliche Vollmacht: grds. Form des Vertretungsgeschäftes,[53] etwa bei Berechtigung zur Veräußerung und zum Erwerb von Grundstücken (§ 311b Abs. 1 BGB);[54] Gleiches bei einer Vertragsstrafe bei Widerruf.[55] Ebenfalls wird vertreten, dass eine Vollmacht zum Abschluss eines Grundstücksgeschäftes bei Befreiung von § 181 BGB der Schriftform bedarf.[56]
Verbraucherdarlehensvertrag: notarielle Beurkundung nach § 492 Abs. 4 BGB
Vollmacht zur (Nicht-)Einwilligung in ärztliche (Zwangs-)Maßnahmen und in eine Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahmen: schriftlich nach §§ 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5, 1906a Abs. 5 BGB[57]
Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Für die durch einen Vertreter abgegebene Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist zwar nicht erforderlich, dass die Vollmacht notariell beurkundet ist.[58] Die Klausel für eine Urkunde mit einer Unterwerfungserklärung darf aber nur erteilt werden, wenn die Vollmacht in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde nachgewiesen wird.
 

Rz. 25

Wenn das Vertretergeschäft eine bestimmte Form erfordert, die von der Vollmacht nicht erfüllt wird, ist die Vollmacht insoweit nichtig § 125 BGB). Das Geschäft ist schwebend unwirksam (§ 177 BGB), kann aber genehmigt werden (§ 182 BGB). Wird das Geschäft nicht genehmigt, haftet der vermeintliche Vertreter (§ 179 BGB). Eine Heilung etwa wie bei einem formunwirksamen Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 2 BGB ist nicht möglich, da die Warnung den Vertretenen erreichen müsste.[59]

[44] Weitere Fälle: Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 167 Rn 28 ff.; Hecker/Kieser, Kap. 1 Ziff. 1.3.2 ff.
[46] Staudinger/Schilken, § 167 Rn 26.
[47] Rudolf/Bittler/Roth/Hack, Vorsorgevollmacht, § 1 Rn 14.
[48] So auch BGH, Urt. v. 3.2.2016 – XII ZB 454/15, NJW 2016, 1516; a.A. Jurgeleit/Jurgeleit, BetreuungsR, § 1896 Rn 21.
[49] KG, Beschl. v. 24.7.2001 – 1 W 9102/00, FPR 2002, 186, 188.
[50] Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler/Hack/Bittler, AF ErbR, § 2 Rn 195.
[51] MüKo-BGB/Schubert, § 167 Rn 32; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer, § 167 Rn 5; a.A. Staudinger/Schilken, § 167 Rn 26.
[52] MüKo-BGB/Schubert, § 167 Rn 35; formfrei nach Heskamp, RNotZ 2012, 415, 418.
[53] Vgl. MüKo-BGB/Schubert, § 167 Rn 21; Staudinger/Schilken, § 167 Rn 22.
[54] BGH, Urt. v. 23.2.1979 – V ZR 171/77, NJW 1979, 2306; OLG Schleswig, Urt. v. 25.5.2000 – 2 U 19/00, NJW-RR 2001, 733, 734.
[55] BeckOK BGB/Schäfer, § 167 Rn 9.
[56] Staudinger/Schilken, § 167 Rn 22 m.w.N.
[57] Scherer/Lipp/Schrader, MAH ErbR, § 44 Rn 15.
[59] MüKo-BGB/Schubert, § 167 Rn 42.

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