Rz. 586

Im Zuge der Globalisierung werden immer häufiger Mitarbeiter außerhalb ihres Heimatlandes "über die Grenze" bei ausländischen Konzernunternehmen tätig. Dabei kann es sich um mittel- bis langfristige Einsätze handeln, aber auch um kurze Dienstreisen von nur wenigen Tagen. Bei diesen Einsätzen kann Deutschland aus der Sicht des Mitarbeiters das Heimat- oder das Gastland sein. Für das deutsche Konzernunternehmen entsteht regelmäßig die Frage, ob in Deutschland auf das Gehalt für diese Tätigkeiten Lohnsteuer einzubehalten ist. Dabei stellt sich das Problem unter zahlreichen Fallkonstellationen: wie z.B. Anstellung des Mitarbeiters im Inland oder im Ausland, eine oder zwei Lohnzahlungsstellen, Wohnsitz des Mitarbeiters im Inland oder im Ausland oder in beiden Staaten, Arbeitsausübung nur im Ausland oder auch teilweise im Inland, nur kurzfristige Arbeitstage im In- oder Ausland, Weiterbelastung des im Inland gezahlten Gehaltes oder nicht usw.

Für den steuerlichen Laien ergibt sich deshalb ein verwirrendes Bild. Trotzdem kann auch die Frage nach der Lohnsteuerpflicht in Deutschland relativ einfach anhand eines kurzen Prüfschemas abgeklärt werden. Dabei hängt dieses lohnsteuerliche Prüfschema eng mit dem oben (s. Rdn 467 ff.) dargestellten allgemeinen Prüfschema zusammen und baut auf ihm auf.

I. Prüfschema zur Lohnsteuer

 

Rz. 587

Bei Auslandstätigkeiten richtet sich die deutsche Lohnsteuerpflicht ausschließlich nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG. Dabei ist die Nr. 2 der Spezialfall der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (ausländische Verleihunternehmen), der hier nicht behandelt werden soll.

 

Rz. 588

Aus § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ergeben sich zwei Voraussetzungen, die beide erfüllt sein müssen, damit die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von deutscher Lohnsteuer besteht:

Einkommensteuerpflichtiges Gehalt und
ein inländischer Arbeitgeber.
 

Rz. 589

Als einkommensteuerpflichtiges Gehalt sind "Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit", also aus einem Anstellungsverhältnis anzusehen. Das ist bei einem Auslandseinsatz immer gegeben, denn die Mitarbeiter sind ja bei irgendeinem Konzernunternehmen im In- oder Ausland angestellt. Allerdings reicht das einfache Vorliegen von Gehalt nicht aus, um die erste Voraussetzung zu erfüllen. Vielmehr muss es sich um solche Gehälter handeln, die in Deutschland auch von der Einkommensteuer erfasst werden, also einkommensteuerpflichtig sind. Das ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang des § 38 EStG mit § 2 EStG und dem Vorauszahlungscharakter der Lohnsteuer. Die Lohnsteuer ist eben keine eigene Steuerart, sondern eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer. Eine Vorauszahlung ist aber nur dann zu leisten, wenn das Einkommen (Gehalt) überhaupt steuerpflichtig ist. Bei der Prüfung, ob das Gehalt der deutschen Einkommensteuer unterliegt, sind die allgemeinen Spielregeln des deutschen Einkommensteuersystems heranzuziehen. Doppelbesteuerungsabkommen bleiben dabei unberücksichtigt.

Damit lautet die erste Voraussetzung für die Lohnsteuerpflicht: Einkommensteuerpflichtiges Gehalt.

 

Rz. 590

Als zweite Voraussetzung muss der Mitarbeiter einen "inländischen Arbeitgeber" i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Satz 2 EStG haben. Danach kommen als inländische Arbeitgeber solche Unternehmen in Betracht, die einen gewissen Bezug zu Deutschland haben. Dieser kann darin bestehen,

dass das Unternehmen als in Deutschland ansässig gilt (deutsche Unternehmen);
dass ein ausländisches Unternehmen in Deutschland eine Betriebsstätte hat;
dass ein deutsches Unternehmen den Gehaltsaufwand für den Mitarbeiter trägt, ohne der zivilrechtliche Arbeitgeber des Mitarbeiters zu sein.

Damit lautet die zweite Voraussetzung für die Lohnsteuerpflicht: Inländischer Arbeitgeber.

Sind beide Voraussetzungen des § 38 EStG erfüllt, besteht Lohnsteuereinbehaltpflicht.

 

Rz. 591

Eine Befreiung von dieser Pflicht kann sich aus zwei Aspekten heraus ergeben.

Einmal können die Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses (s. Rdn 511) vorliegen oder die Befreiung ist aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens möglich.

In beiden Fällen kann sich der Arbeitgeber vom Lohnsteuerabzug befreien, muss es aber nicht. Ein Rechtsnachteil entsteht dem Arbeitnehmer in keinem Fall, denn dieser kann die Freistellung noch im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung beantragen. Das muss er ohnehin, denn sein Einkommensteuerbeamter ist nicht an die Entscheidung des Lohnsteuerbeamten gebunden.

 

Rz. 592

 

Zusammenfassung des Prüfschemas zur Lohnsteuereinbehaltungspflicht

Liegen einkommensteuerpflichtige Gehälter vor?
Liegt ein inländischer Arbeitgeber vor?

Wird auch nur eine der beiden Fragen mit "Nein" beantwortet, besteht ohne Ausnahme keine Lohnsteuereinbehaltpflicht, gleichgültig wie der konkrete Fall gelagert ist.

Werden beide Fragen mit "Ja" beantwortet, besteht. Lohnsteuereinbehaltpflicht. Der Arbeitgeber kann es dabei belassen und Lohnsteuer einbehalten. Alternativ kann er prüfen, ob eine Lohnsteuerbefreiung nach dem Auslandstätigkeitserlass oder nach einem DBA ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge