Entsendung: Wie funktioniert der Arbeitsschutz im Ausland?

Im Rahmen der Globalisierung und der damit zusammenhängenden Eröffnung von Standorten deutscher Firmen im Ausland, entsenden Unternehmen viel öfter Beschäftigte ins Ausland als es früher der Fall war. Welche Konsequenzen hat das für die entsendeten Arbeitnehmer:innen in Bezug auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz?

Eine Entsendung liegt vor, wenn Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens für mittelfristige Aufenthalte ins Ausland entsandt werden. Kürzere Aufenthalte werden dagegen als Abordnung oder Dienstreise bezeichnet, längere Aufenthalte als Versetzung. 

Versicherungsschutz

Zunächst: Genießen die entsendeten Beschäftigten weiterhin denselben Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten wie in Deutschland? Beschäftigte, die im Rahmen ihres inländischen Arbeitsverhältnisses für einen begrenzten Zeitraum ins Ausland entsandt werden, sind auch weiterhin bei ihrer zuständigen Unfallversicherung/Berufsgenossenschaft versichert.

Allerdings müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: Zum einen müssen sie bei einem Unternehmen beschäftigt sein, das seinen Hauptsitz in Deutschland hat. Zum anderen muss die Dauer zeitlich begrenzt sein (siehe unten). Nicht gesetzlich unfallversichert sind Mitarbeitende, die im Ausland angestellt oder in einer selbständigen Niederlassung (d.h. nicht in einem deutschen Arbeitsverhältnis) beschäftigt werden.

Dauer der Entsendung

Wie lange darf eine Entsendung maximal dauern, damit der deutsche Versicherungsschutz weiterhin gilt? In Staaten der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz liegt die maximale Gültigkeit einer sogenannten A1-Bescheinigung (eine deutsche A1-Bescheinigung dokumentiert, dass die im Ausland erwerbstätige Person weiter dem deutschen Recht unterliegt) bei 24 Monaten.

In Staaten, die mit Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen haben, gelten die länderspezifischen Fristen. Aktuell bestehen mit Tunesien, Mazedonien, Kroatien und Marokko Sozialversicherungsabkommen. In Marokko können Arbeitnehmer bis zu 36 Monate, in Tunesien bis zu zwölf Monate und in Mazedonien und Kroatien bis zu 24 Monate beschäftigt werden und stehen dabei weiterhin unter dem Schutz der deutschen Sozialversicherung. Sofern kein Versicherungsschutz besteht, weil die Entsendefrist überschritten ist bzw. der Auslandsaufenthalt unbefristet ist, können Beschäftigte bei ihrer Unfallversicherung eine Auslandsversicherung abschließen.

Schutzniveau einhalten

Der Unternehmer ist gegenüber seinen Beschäftigten arbeitsschutzrechtlich während des gesamten Auslandseinsatzes verpflichtet. Das heißt: Mitarbeiter, die ins Ausland entsandt werden, müssen von ihm zumindest den deutschen Arbeitsschutzstandard garantiert bekommen. Der aktuelle rechtliche Status quo in Deutschland ist also die Mindestnorm.

Ein besonderer Fall tritt ein, wenn der entsendete Beschäftigte in einem Land arbeitet, in dem das Arbeitsschutzniveau noch höher ist als hierzulande. Zumindest die in wichtigen Teilbereichen herrschenden Arbeitsschutzbedingungen des ausländischen Einsatz- bzw. Dienstortes sind dann die Mindestnorm, die das deutsche Unternehmen gewährleisten muss. Hier spielt (zumindest im EU-Ausland) noch ein weiterer Faktor eine Rolle, nämlich das Produktionsort-Prinzip im EU-Recht. Dieses besagt, dass sich ausländische Unternehmen auch beim Arbeitsschutzstandard den Wettbewerbsbedingungen im jeweiligen EU-Land anpassen müssen (im Gesetzestext wörtlich: annähern), die für alle am jeweiligen Standort produzierenden und arbeitenden Unternehmen gelten.

Unterschiede beachten

Somit müssen alle Arbeitsschutzvorschriften des jeweiligen Staates beachtet werden, in dem die entsendete Person arbeitet. Während beispielsweise eine Gefährdungsbeurteilung, die ein Unternehmen nach deutschen Standards erstellt hat, in einem Land akzeptiert wird, kann sie in einem anderen nicht ausreichend sein. Dazu sollten sich die betroffenen Arbeitnehmer frühzeitig bei ihrem Unfallversicherungsträger oder einer für den Arbeitsschutz zuständigen staatlichen Stelle ihres (europäischen!) Gastlandes, den sogenannten Focal Points, informieren lassen (siehe unten).

Focal Points

Die Focal Points sind die jeweilige Anlauf- und Informationsstellen rund um den Arbeitsschutz, die in jedem europäischen Land eingerichtet sind. Jeder Focal Point unterhält eine Internetseite, auf der Arbeitnehmer, die von ihrem Unternehmen dorthin entsendet werden, alle relevanten Informationen bekommen können.

Die Focal Points bilden die Schnittstelle zwischen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) und dem nationalen Arbeitsschutz. Sie werden von den relevanten staatlichen Arbeitsschutzakteuren, insbesondere den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen, betrieben.

So sollten Unternehmen vorgehen

Wie aber wird der Arbeitsschutz im Ausland durch das Entsenderunternehmen sichergestellt? Kernaufgaben des Unternehmens im Vorfeld der Auslandsentsendung sind eine umfassende Durchführungsplanung des Arbeitsauftrags, eine fundierte Gefährdungsbeurteilung, die geeignete Auswahl und Vorbereitung der Beschäftigten sowie eine geeignete Reiseplanung, eine medizinische Vorbereitung und ein Notfallplan. Hier sind besonders die direkten Führungskräfte gefordert, die aufgrund der hohen Gefährdung im Ausland ihre Fürsorgepflicht für die Beschäftigten sehr ernst nehmen müssen.

Gefährdungsbeurteilung: Ergänzend zu den für die jeweilige Arbeit üblichen Gefährdungen müssen meist nationale Besonderheiten betrachtet werden. Dazu gehören rechtliche Unterschiede wie ein niedrigeres oder höheres Schutzniveau. Aber auch soziale und kulturelle Besonderheiten, die sich auf das Arbeitsschutzverhalten im Betrieb auswirken könnten, außerbetriebliche Gefährdungen wie Kriminalität, Bürgerkriege und Terrorismus, erschwerte Kommunikation durch Sprachbarrieren, ungeeignete Kleidung, fehlende oder ungeeignete PSA und die vorherrschenden Hygienestandards und Ernährungsgewohnheiten gehören hierzu.

Auswahl der Beschäftigten: Herangezogen werden können nur Beschäftigte, von denen ein sicheres Verhalten vor Ort zu erwarten ist. Eine gezielte Unterweisung vermittelt ihnen die Gefährdungssituation vor Ort und lässt sie kritische Situation selbst erkennen und dementsprechend handeln.

Medizinische Vorbereitung: Im Regelfall organisiert der Betriebsarzt/-in die medizinischen Aspekte der Auslandsaufenthalte und berät die Beschäftigten für alle Bereiche der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Insbesondere bei notwendigen Impfungen müssen die Ärzte ausreichende Vorlaufzeiten einplanen.

Notfallplan: Eine schnelle Rettung und Evakuierung der Beschäftigten, eine geeignete ärztliche Versorgung und funktionierende Kommunikationswege sind die wichtigsten Punkte, die unbedingt in einem Notfallplan festzulegen sind.

Während des Arbeitsaufenthalts: Der Handlungsspielraum für die Beschäftigte muss klar vorgegeben sein. Es muss festgelegt sein, wann Rücksprache mit den Vorgesetzten in Deutschland unbedingt angezeigt ist. Hierfür müssen diese Vorgesetzten immer erreichbar sein. Die Gesundheit der Beschäftigten hat dabei stets die höchste Priorität. In kritischen Situationen kann das bedeuten, dass die Arbeit sofort abgebrochen werden muss und eventuell sogar, dass der betroffene Beschäftigte sofort an den deutschen Standort zurückkehrt.

Nach der Rückkehr: Unbedingt sollte bei der Rückkehr des entsendeten Beschäftigten eine umfangreiche Nachbereitung durchgeführt werden. Nur mit den Erfahrungen der entsendeten Kollegen und Kolleginnen kann die aktuelle Gefährdungsbeurteilung und die gegenwärtige arbeitsschutzfachliche Betreuung auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und entsprechend angepasst werden.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitsschutz, Ausland, Unfallversicherung