Bildschirmarbeiten sind Arbeiten, die ohne Bildschirmunterstützung nicht zu erledigen sind und bei denen die Beschäftigten täglich drei oder mehr Stunden am Bildschirm arbeiten. Das können durchaus auch Arbeitsplätze in produktionsnahen Bereichen sein, ein Büro ist nicht Voraussetzung für einen Bildschirmarbeitsplatz. Tätigkeiten mit Handscannern z.B. definieren jedoch keinen Bildschirmarbeitsplatz.
G 37-Untersuchung gibt es nicht mehr!
Arbeitsmedizinische Vorsorge ist zu veranlassen, wenn „Arbeit krank machen kann”. Die Regeln und Anlässe für arbeitsmedizinische Vorsorge hat der Gesetzgeber seit 2013 in der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ (ArbMedVV) festgelegt. Dort ist die Vorsorge „Tätigkeiten an Bildschirmgeräten” als „Angebotsvorsorge” festgelegt. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss die arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten, für Beschäftigte ist die Teilnahme freiwillig. Die früher verwendete Bezeichnung „G 37” für diese Vorsorge ist seit 2013 übrigens nicht mehr korrekt.
Bei der Vorsorge „Tätigkeiten an Bildschirmgeräten” geht es nicht darum, nur Mitarbeiter mit besonders gutem Sehvermögen für die Bildschirmarbeitsplätze im Büro auszusuchen, das wäre eine in diesem Zusammenhang völlig unsinnige Eignungsuntersuchung. Vielmehr soll Beschäftigten mit Sehschwierigkeiten durch Sehhilfen (zum Beispiel Bildschirmarbeitsbrillen) geholfen werden, ohne besondere zusätzliche Augenbelastung dauerhaft am Bildschirm arbeiten zu können.
Die Vorsorge „Tätigkeiten an Bildschirmgeräten” nur als einen Sehtest zu betrachten, ist jedoch nicht im Ansatz ausreichend. Ziel der Vorsorge ist es, die o.g. möglichen Belastungen durch dauerhaftes Sitzen und ständiges Sehen im Bildschirmabstand durch angemessene Beratung positiv zu beeinflussen.
Welchen Sinn hat Bildschirmarbeitsplatz-Vorsorge?
Das durchaus berechtigte Interesse des Arbeitgebers liegt eindeutig darin, „Schäden an Mensch und Material” zu vermeiden. Der Arbeitgeber hat ein Interesse an produktiver Erbringung der „arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung”. Diese wird an Bildschirmarbeitsplätzen üblicherweise mit dem Kopf geleistet.
Das durchaus berechtigte (Minimal-) Interesse der Beschäftigten liegt eindeutig darin, beschwerdefrei arbeiten zu können. Besser ist der Denkansatz „Wohlbefinden am Arbeitsplatz”. Denn nur wenn sich Körper und Geist wohl fühlen, ist der Mensch auch produktiv.
Die Aufgabe der Fachkraft für Arbeitssicherheit ist es, Arbeitsplätze sicher zu gestalten. Hier betrifft das i.d.R. Platzbedarf, Elektrik, Stolperstellen, Licht.
Rechtsgrundlage ArbMedVV
Ein Blick in den Verordnungstext hilft beim Verständnis. In der aktuellen Version (ArbMedVV 2019) heißt es im Anhang:
„Tätigkeiten an Bildschirmgeräten
Die Angebotsvorsorge enthält das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens. Erweist sich aufgrund der Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung als erforderlich, so ist diese zu ermöglichen. § 5 Abs. 2 gilt entsprechend für Sehbeschwerden. Den Beschäftigten sind im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen, wenn Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind.”
Hier ist in den Anhang sinngemäß übernommen worden, was dazu früher in der Bildschirmarbeitsverordnung formuliert war. Diese war geltendes Recht in Deutschland bis Dezember 2016. Die Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze werden heute durch den Anhang der Arbeitsstättenverordnung geregelt. Der Teil über Bildschirmarbeitsbrillen ist in die ArbMedVV übernommen worden.
Bildschirmarbeitsplatzergonomie in der Praxis
Was im Verordnungstext sehr theoretisch formuliert ist, hat einen bedeutsamen Hintergrund. Je nach Besonderheiten des Auges kann es durch dauerhaftes Sehen im „Nahbereich” bis 2 Meter zu einer Vielzahl an direkten oder indirekten körperlichen Beschwerden kommen: Am häufigsten sind Rückenschmerzen, Augendruck, Augenbrennen, Verspannungen der Nackenmuskulatur, Kopfschmerz, unscharfes Sehen. Diese werden teils verursacht durch:
- Mangel an Bewegung,
- unzureichend durchdachte ergonomische Gestaltung des Arbeitssystems,
- falsche, fehlende oder ungeeignete Brille,
- schlechte Software mit ungeeigneter Bedienoberfläche (GUI),
- ungeeignete Beleuchtung, Blendungseffekte durch schlechte Beleuchtungsplanung,
- Arbeitsklima, psychische Belastungsfaktoren.
Daraus ergibt sich zwanglos, dass eine echte Vorsorge am Bildschirmarbeitsplatz weit über die Durchführung eines Sehtests hinausgeht. „Bildschirmarbeitsplatzergonomie” ist eine Querschnittsdisziplin aus mehreren Fachgebieten.
Eine seit Jahren bekannte und immer wieder aktualisierte umfangreiche Abhandlung zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen ist die DGUV Information 215-410.
Sehtest für Versorgung mit Bildschirmbrillen
Zunächst sei der Teil Bildschirmbrillen besprochen:
Die arbeitsmedizinische Vorsorge für Tätigkeiten am Bildschirmarbeitsplatz muss von einem Betriebsarzt durchgeführt werden, da er im Gegensatz zum Augenarzt mit den Arbeitsplatzbedingungen vor Ort vertraut ist. Die Durchführung des Sehtests darf an entsprechend ausgebildetes Assistenzpersonal delegiert werden, die eigentliche Vorsorge jedoch nicht! Bei den Beschäftigten wird die Sehschärfe in die Ferne und die Nähe sowie im Bildschirmabstand getestet. Falls das Farbsehvermögen eine Rolle spielt, kann auch dieses getestet werden.
Die Vorsorge Bildschirmarbeitsplatz ist viel mehr als nur ein Sehtest
Beim Thema Bildschirmarbeitsplatz sollte das zu erreichende Ziel „Wohlbefinden am Arbeitsplatz” sein. Was kann der Betriebsarzt dazu beitragen?
Gar nicht selten suchen Beschäftigte den Betriebsarzt gezielt wegen verschiedener Beschwerden auf (siehe oben), die definitiv nicht auf Schwierigkeiten mit der Sehschärfe oder der Brille zurückzuführen sind.
Dann kann ein unnötiger Sehtest auch weggelassen werden und ein Besuch am Arbeitsplatz ist erforderlich, um die ergonomischen Gegebenheiten beurteilen zu können. Dem Erfahrenen fällt nicht selten schon beim ersten Blick ins Büro auf, ob Beratungsbedarf besteht. Häufige „Ergonomiesünden” sind zum Beispiel:
- Monitorposition zu hoch (immer noch „oberste Bildschirmzeile auf Augenhöhe”) ,
- ungünstige Einstrahlung des Tageslichtes von vorne oder hinten,
- ungünstige Sitzhaltung wegen falscher Anordnung von Monitor/Tastatur/Maus/Papier,
- Mausarmsyndrom / „Repetitive Strain Injury” durch ungünstiges Verwenden der Tastatur,
- Bürostuhl nicht an den „Besitzer” angepasst, Synchronmechanik aus Unwissenheit abgestellt,
- keine Kenntnis darüber, wie ein Bürostuhl individuell eingestellt werden kann,
- Mauszeigergeschwindigkeit nicht an Arbeitsaufgabe angepasst,
- Zugluft (Klimaanlagen im Sommer),
- trockene Raumluft (Heizperiode),
- Sitzposition mit dem Rücken zur Zimmertüre.
Hier ist dann gute Ergonomieberatung erforderlich, um eine Verbesserung des Arbeitsplatzes zu erzielen. Dabei ist zu bedenken, dass sich die „Besitzer” der Bildschirmarbeitsplätze oft so sehr an teils langjährige Gegebenheiten gewöhnt haben, dass jedes Ansinnen einer Änderung oftmals sehr skeptisch aufgenommen wird. Nichts ist für Menschen schwieriger, als die Änderung von Gewohnheiten. Deshalb ist die Beratung zur Bildschirmarbeitsplatzergonomie immer ein sensibler Teil, der Einfühlungsvermögen erfordert. Ziel ist dabei, mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu ermöglichen.
Diese Beratung – kombiniert mit einem eventuellen Sehtest oder auch ohne diesen – ist echte arbeitsmedizinische Vorsorge für „Tätigkeiten an Bildschirmgeräten”.
Welche zeitlichen Abstände gelten für die Vorsorge Bildschirmarbeitsplatz?
Der Arbeitgeber bietet die arbeitsmedizinische Vorsorge an, wenn am Bildschirmarbeitsplatz wesentliche Teile der beruflichen Tätigkeit ausgeführt werden. Falls das Angebot nicht angenommen wird, muss es in bestimmten Zeitabständen wiederholt werden.
Die Erstvorsorge muss innerhalb von drei Monaten vor Aufnahme der Tätigkeit, die zweite Vorsorge spätestens nach 12 Monaten nach der Erstvorsorge, jede weitere Vorsorge innerhalb von 36 Monaten nach der vorangegangenen Vorsorge angeboten werden.
Vorzeitige Nachuntersuchungen können – wie immer bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge - nach ärztlichem Ermessen im Einzelfall und auf Wunsch des Beschäftigten, der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden und seiner Tätigkeit am Arbeitsplatz vermutet, durchgeführt werden.
Der Betriebsarzt kann Beschäftigten bei Auffälligkeiten den Besuch eines Augenarztes empfehlen, wenn Klärungsbedarf besteht.
Bildschirmbrille: Fragen und Antworten