Kältearbeiten: Alles Wissenswerte zur DGUV-Empfehlung

Die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung „Kältearbeiten“ (ehemals G 21-Untersuchung) richtet sich an Beschäftigte, die an sogenannten Kältearbeitsplätzen tätig sind. Es handelt sich um eine Pflichtvorsorge, wenn die beruflichen Tätigkeiten zumindest phasenweise bei extremer Kältebelastung von minus 25 Grad Celcius und kälter durchgeführt werden müssen.

Zur Kältearbeit zählen Arbeiten in technisch gekühlten Räumen oder Tätigkeiten im Freien bei niedrigen Temperaturen. Der Körper des Menschen kann den niedrigen Temperaturen kaum entgegenwirken. Daher sind zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie Kälteschutzkleidung und längere Pausenzeit, dringend erforderlich, um kurz- oder langfristige Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten zu verhindern. Zu den gesundheitsschädlichen Gefährdungen durch Kälteexposition gehören Unterkühlungen, Erfrierungen sowie auch chronische Erkrankungen wie verschiedene Atemwegserkrankungen. Die durch Kälte bedingte Abnahme der Beweglichkeit, insbesondere der Hände und Füße, kann zudem das Unfallrisiko erhöhen.

Wo arbeiten Beschäftigte in der Kälte?

In Deutschland gibt es rund eine Million Kältearbeitsplätze, meist in der Herstellung, Verarbeitung und Lagerung von Nahrungsmitteln. Ein Kältearbeitsplatz befindet sich typischerweise in einem Kühlhaus, wo konstante Temperaturen von -10 bis -30 Grad Celsius herrschen. Aber auch Beschäftigte mit Tätigkeiten im Freien, die nicht zu den eigentlichen Kältearbeitsplätzen mit ständiger Kälteexposition gehören, sind gefährdet – vor allem im Bauwesen sowie in der Land- und Forstwirtschaft.

Was gilt für den durchführenden Betriebsarzt?

Der für die Durchführung der Vorsorge zuständige Arzt muss über die Beurteilung von Gefährdungen durch Kälteexposition erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Hat er diese nicht, muss zusätzlich ein weiterer Arzt mit den entsprechenden Kompetenzen hinzugezogen werden.

Welche Vorsorgearten können durchgeführt werden?

Für Tätigkeiten mit extremer Kältebelastung, d.h. -25 Grad Celcius und kälter, muss eine Pflichtvorsorge durchgeführt werden. Eine Angebotsvorsorge entfällt. Auf Wunsch des Beschäftigten ist aber eine Wunschvorsorge zu ermöglichen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen. Die Fristen für die Pflichtvorsorgen werden durch die Arbeitsmedizinische Regel (AMR) 2.1. vorgegeben, für die Wunschvorsorge gelten keine festen Fristen.

Wie läuft die Vorsorge ab?

  • Das Unternehmen führt eine Gefährdungsbeurteilung durch, deren Ergebnisse ggf. Anlass für eine Vorsorge sind.
  • Der Unternehmer teilt dem Arzt den Anlass für den Vorsorgetermin mit und beauftragt ihn, die Vorsorge durchzuführen. Dieser muss sich im Vorfeld der Beratung die notwendigen Kenntnisse über den Arbeitsplatz des Beschäftigten sowie dessen gesundheitliche Risiken verschafft haben.
  • Darauf folgt als erster Schritt der eigentlichen Vorsorge die Eingangsberatung einschließlich Anamnese.
  • Bei der allgemeinen Anamnese werden unter anderem folgende Punkte angesprochen:
    • Sportliche Aktivitäten,
    • Behinderungen,
    • Alkohol-, Zigaretten- und Drogenkonsum,
    • Krankheiten in der Familie,
    • Impfstatus.
  • Bei der Arbeitsanamnese erkundet sich der Arzt unter anderem nach:
    • Arbeitsbedingungen am aktuellen Arbeitsplatz,
    • Belastungen am Arbeitsplatz,
    • Berufskrankheiten,
    • Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz,
    • Belastungen an früheren Arbeitsplätzen.
  • Der Arzt stellt dabei fest, ob eine weitergehende ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Diese kann vom Beschäftigten abgelehnt werden.
  • Bei den weiterführenden Untersuchungen handelt es sich um eine allgemeine körperliche sowie eine klinische Untersuchung. Bei der klinischen Untersuchung werden folgende Verfahren eingesetzt:
    • Urinuntersuchung (Mehrfachteststreifen),
    • Ruhe-EKG,
    • Ermittlung von Nüchtern-Blutzucker und Kreatininwerten durch Blutbild, Leberwerte.
  • Im Anschluss erfolgt ein weiterer Beratungstermin. Ggf. kann auch eine Beratung des Arbeitgebers stattfinden.
  • Zum Abschluss händigt der Arzt dem Beschäftigten und dem Unternehmer eine Vorsorgebescheinigung aus.
  • Nach der Vorsorge muss der Arzt alle Ergebnisse auswerten. Meint er, dass die Schutzmaßnahmen am betreffenden Arbeitsplatz nicht ausreichen, hat er darüber den Arbeitgeber/Unternehmen zu informieren und muss diesem darüber hinaus auch bessere Schutzmaßnahmen vorschlagen.
  • Abhängig von den medizinischen Befunden kann der Arzt von einer Aufnahme oder Fortsetzung der Arbeitstätigkeit abraten oder aber eine Aufnahme und Fortsetzung unter folgenden Voraussetzungen empfehlen:
    • Organisatorische Maßnahmen wie Begrenzung der Kälteexposition und Verlängerung von Aufwärmpausen,
    • Effektivere Schutzkleidung gegen Kälte,
    • Abhängig von den spezifischen Befunden auch individualisierte Schutzkleidung gegen Kälte,
    • Ggf. Einsatz an Arbeitsplätzen mit weniger Kälteexposition.
  • Die ärztlichen Ergebnisse muss das Unternehmen wiederum in der Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und seiner Schutzmaßnahmen berücksichtigen.

Welche Faktoren muss der Arzt berücksichtigen?

Bei der Beurteilung zur Ausübung der Tätigkeit sind für den Arzt folgende Punkte von Relevanz:

  • Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems
  • Erkrankungen der Atmungsorgane
  • Erkrankungen des Blutes
  • Erkrankungen der Haut, falls sie die Durchblutung beeinflussen
  • Erkrankungen der Nieren und der ableitenden Harnwege
  • Rheumatische Erkrankungen wie Morbus Raynaud
  • Erkrankungen des äußeren Auges wie das Sicca-Syndrom oder häufige Entzündungen der vorderen Augenabschnitte
  • Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen bei Kälteeinwirkungen
  • Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems
  • Alkohol-, Medikamenten- und Suchtmittelabhängigkeit