Rz. 36

Wie bereits ausgeführt (siehe Rdn 17), sind die für die Tatbestände des qualifizierten Diebstahls im Strafrecht entwickelten Grundsätze nicht uneingeschränkt auf das Versicherungsrecht übertragbar. Dieser Grundsatz gilt in besonderem Maße für den Begriff "falscher Schlüssel". Ob ein Schlüssel nach strafrechtlichen Grundsätzen "falsch" ist oder nicht, hängt vom Willen des Berechtigten ab. Danach liegt ein "falscher Schlüssel" im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB vor, wenn er zurzeit der Tatbegehung nicht oder nicht mehr zum Öffnen der betreffenden Räume bestimmt ist.[48]

 

Rz. 37

Demgegenüber wird im Versicherungsrecht die Frage nach dem "richtigen" oder "falschen" Schlüssel nach seiner Zweckbestimmung zum Zeitpunkt seiner Anfertigung beantwortet. Gem. § 1 Nr. 2 a Hs. 2 AERB 87 (A §§ 1 Nr. 2 a Hs. 2 AERB 2008, 2010) ist ein Schlüssel falsch, wenn seine Anfertigung nicht von einer dazu berechtigten Person veranlasst oder gebilligt worden ist. Danach kann ein ursprünglich "richtiger" Schlüssel nicht wie im Strafrecht nachträglich "falsch" werden. Schlüssel bleiben selbst dann "richtig", wenn sie unberechtigter Weise von Vormietern zurückbehalten[49] oder vom Berechtigten weggeworfen werden.[50] Allerdings werden echte Schlüssel zu "falschen", wenn sie vom Täter bewusst und gezielt miteinander vertauscht werden.[51]

 

Rz. 38

Wer zum Anfertigen von Schlüsseln für das in Rede stehende Schloss berechtigt ist, hängt zwar grundsätzlich von der Verfügungsgewalt über das Schloss ab. Dies macht sich jedoch nicht stets daran fest, wer Eigentümer der versicherten Räume ist. Werden die in Rede stehenden Räume beispielsweise über längere Zeiträume von Mietern benutzt, wird dadurch für die Mieter die Berechtigung begründet, Nachschlüssel anfertigen zu lassen.[52]

Entwendet der Dieb einen Sicherungsschein, der ihn gegenüber dem Schlüsselhersteller als verfügungsberechtigt über das in Rede stehende Schloss ausweist, reicht dies nicht aus, um "richtige" Schlüssel anfertigen zu können. Vielmehr handelt es sich dabei um Nachschlüssel.[53] Ein Nachschlüsseldiebstahl kann grundsätzlich auch in erleichterter Form bewiesen werden. Der Versicherungsnehmer muss Umstände nachweisen, wonach die Verwendung richtiger Schlüssel unwahrscheinlich oder von mehreren möglichen Begehungsweisen die versicherte wahrscheinlich ist.

Ein richtiger Schlüssel wird nicht dadurch falsch, dass seine Verwendung nunmehr, z.B. infolge Mieter- oder Eigentümerwechsel nicht mehr berechtigt ist. Bei Anhaltspunkten über das Vorhandensein von zusätzlichen richtigen Schlüsseln muss bewiesen werden, dass auch in der Zeit vor dem Einzug des Versicherungsnehmers kein weiterer Schlüssel gefertigt oder bei der Tat ein solcher nicht verwendet worden sein kann.[54]

Ein Schlüssel ist kein falscher Schlüssel i.S.v. § 1 Nr. 2 a AERB 87, wenn er vom Vormieter gefertigt wurde und nach Beendigung des (Vor-)Mietverhältnisses bloß nicht zurückgegeben wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Vormieter den Schlüssel ohne Einwilligung des Vermieters gefertigt hat.[55]

 

Rz. 39

Um Versicherungsleistungen wegen eines Einbruchdiebstahls unter Verwendung eines "falschen" Schlüssels zu erhalten, ist es Aufgabe des Versicherungsnehmers nachzuweisen, dass der Täter keinen "richtigen" Schlüssel zum Zwecke der Entwendung verwendet hat. Denn der Gebrauch eines falschen Schlüssels ist nicht schon dann bewiesen, wenn feststeht, dass versicherte Sachen abhandengekommen sind (§ 1 Nr. 2 a letzter Hs. AERB 87 (bzw. A §§ 1 Nr. 2 a letzter Hs. AERB 2008, 2010). Ein Nachschlüsseldiebstahl ist allerdings nicht hinreichend bewiesen, wenn der Versicherungsnehmer nicht den Verbleib sämtlicher Originalschlüssel dartun kann.[56] Die bloße Möglichkeit der spurenlosen Öffnung der Wohnungstür mittels Scheckkarte ergibt keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Nachschlüsseldiebstahl.[57]

[48] So bereits RG 52, 84.
[49] OLG Hamm r+s 1986, 214; LG Köln VersR 1988, 1234; LG Frankfurt r+s 1991, 211.
[50] OLG Frankfurt r+s 1979, 108.
[51] OLG Hamm VersR 1980, 737; weitere Rechtsprechungshinweise enthält die Kommentierung von Martin, D V Rn 12.
[52] Martin, D V Rn 6.
[53] Martin, D V Rn 7.
[56] LG Köln VersR 1987, 1087; LG München I VersR 1989, 740.
[57] LG Köln VersR 1994, 2016.

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