aa) Ehescheidung, verschiedene Verfahrensziele

 

Rz. 21

Die Mandantin hat einen außergerichtlichen Auftrag bezüglich Ehescheidung erteilt. Wenig später reicht ihr Mann den Scheidungsantrag ein, sie lässt durch ihren Anwalt Abweisung beantragen. Es liegen zwei Angelegenheiten vor; angefallen ist zunächst eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG), sodann eine 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), vgl. § 15 Abs. 2 RVG. Die Gegenstände sind aber nicht identisch, und zwar auch dann nicht, wenn man bei wechselseitigen Scheidungsanträgen von einem identischen Gegenstand ausgeht (§ 8 Rdn 167). Die Gegenstände sind schon deswegen nicht identisch, weil die Mandantin verschiedene Ziele verfolgte. In der ersten Angelegenheit wollte sie die Scheidung, in der zweiten wollte sie die Scheidung abwehren.[13]

[13] OLG Karlsruhe JurBüro 82, 1208, ebenso Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 267.

bb) Unterhalt, verschiedene Zeiträume

 

Rz. 22

Der Anwalt vertritt außergerichtlich wegen Unterhaltsrückständen für den Zeitraum Januar bis Juni 2018. Später vertritt er diesen Mandanten wegen Unterhaltsrückständen aus dem Zeitraum August und Oktober 2018. Keine Anrechnung, weil es zwar der gleiche Unterhaltsanspruch ist, aber verschiedene Zeiträume offen sind, also verschiedene Gegenstände vorliegen.[14]

[14] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 267 m.w.N.

cc) Unterhalt, Erhöhung/Ermäßigung

 

Rz. 23

Der Mandant lässt sich wegen einer Erhöhung seines Unterhaltsanspruchs beraten. Wenig später wird er auf Herabsetzung dieses Unterhalts verklagt. Keine Anrechnung, weil die Gegenstände nicht identisch sind. Es ist der gleiche Unterhaltsanspruch, aber wie bei Antrag und Widerantrag (vgl. § 8 Rdn 163 ff.) sind Erhöhung und Ermäßigung nicht der gleiche Gegenstand.

dd) Zugewinn, verschiedene Ansprüche

 

Rz. 24

Der Anwalt ist beauftragt die Zugewinnausgleichsansprüche des Mandanten zu prüfen und/oder außergerichtlich zu vertreten. Er hat damit keinen Erfolg. Die geschiedene Ehefrau des Mandanten reicht ihrerseits Zugewinnklage ein.

Es findet keine Anrechnung statt, die Gegenstände sind nicht identisch. Es geht im einen Fall um den Zugewinnausgleich des Mannes, im anderen Fall um den Zugewinnausgleich der Frau (es spielt keine Rolle, dass der zu prüfende Sachverhalt im Wesentlichen identisch war!); der Fall ist genauso zu lösen wie das obige Beispiel (s. Rdn 21).

ee) Umgangsrecht, verschiedene Verfahrensziele

 

Rz. 25

Das Kind lebt zuerst bei der Mutter, dann beim Vater. Der Anwalt vertritt die ganze Zeit die Mutter wegen Umgangsrecht. Hier findet eine Anrechnung nicht statt, weil die Gegenstände nicht identisch sind (zunächst wollte die Mutter das Umgangsrecht des Vaters abwehren oder anders geregelt haben; anschließend wollte sie ihr eigenes Umgangsrecht geregelt haben). (Wie Beispiel in Rdn 21).

ff) Vertrag/Gerichtsverfahren wegen Erfüllung des Vertrages

 

Rz. 26

Der Anwalt schließt eine Einigung ab. Der Schuldner zahlt die Summe nicht, zu der er sich in dem Einigungsvertrag verpflichtet hat. Der Anwalt führt den Prozess auf Erfüllung des Vergleichs. Auch hier sind die Gegenstände nicht identisch.[15]

[15] OLG Stuttgart JurBüro 1976, 339; Enders, JurBüro 2004, 347, 351. Beispiele für Anrechnung Göttlich/Mümmler/Feller, Stichwort Angelegenheit, 4.1.6 ff.

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