Rz. 43

Ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist beizubringen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, § 13 Nr. 2b FeV. Hierbei reichen bereits zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 1 StVG (0,5-Promille-Regelung) aus. Keinesfalls sind also Straftaten notwendig.[72]

Der Tatbestand des § 13 Nr. 2b FeV ist also dann erfüllt, wenn

zwei verwertbare Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 1 StVG wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss oder
eine verwertbare Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss und eine Straftat wegen Trunkenheit im Straßenverkehr unter 1,6 Promille BAK oder
zwei verwertbare Straftaten wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss unter 1,6 Promille BAK vorliegen.
 

Rz. 44

Dementsprechend hat das VG Oldenburg die Aufforderung zur medizinisch-psychologischen Begutachtung im Anschluss an einen Rotlichtverstoß und zwei Trunkenheitsfahrten (0,55 Promille und 0,48 Promille) aufgrund § 13 Nr. 2b FeV für rechtmäßig erachtet.[73] Im Fall war zudem auffällig, dass alle drei Verstöße in einem zeitlich engen Zusammenhang standen.

 

Rz. 45

Eignungszweifel können auch auf Umstände gestützt werden, die im Ausland verwirklicht wurden und der deutschen Fahrerlaubnisbehörde bekannt werden. Denn für die Begründung von Eignungszweifeln kommt es nicht darauf an, wo die Verkehrsteilnahme unter Alkohol verwirklicht wurde.[74] Allerdings muss die Trunkenheitsfahrt entsprechend nachgewiesen sein.

 

Rz. 46

 

Achtung!

Hier kann sich die Frage der Verwertbarkeit von Vortaten stellen. Eine mit der Nichtvorlage eines geforderten Gutachtens begründete Entziehung der FE kann nur dann Bestand haben, wenn die die Gutachtensanordnung rechtfertigenden Eignungszweifel über den Zeitpunkt dieser Anordnung hinaus bis zum Abschluss des behördlichen Verfahrens berechtigt waren. Das bedeutet insbesondere, dass die Umstände, die auf einen Eignungsmangel hinweisen, während des gesamten behördlichen Verfahrens zu Lasten des Erlaubnisinhabers verwertbar gewesen sein müssen.[75] Dies ist z.B. problematisch, wenn im Laufe des anhängigen Widerspruchsverfahrens Bußgeldentscheidungen tilgungsreif geworden sind.[76] Hier ist entscheidend, welcher Zeitpunkt maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist. Nachdem nach h.M. in der Rechtsprechung die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, keine selbstständig anfechtbare Maßnahme ist, ist für den Entzug der FE auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen – hier geht es um eine Anfechtungsklage. Wird die Erteilung einer FE geltend gemacht, steht eine Verpflichtungsklage im Raum, bei welcher der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Nach Ansicht des OVG Bbg soll dagegen auf den Zeitpunkt der Anordnung zur Beibringung einer MPU abzustellen sein.[77]

Eine getilgte Eintragung darf weder für die abschließende Feststellung der Eignung, noch bei der Beantwortung der Frage, ob Eignungszweifel überhaupt gerechtfertigt sind, herangezogen werden (so die ausdrückliche gesetzliche Regelung in §§ 29 Abs. 8 S. 1, 28 Abs. 2 StVG). Der Begriff "Beurteilung der Eignung" i.S.d. § 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG setzt bereits bei der Frage an, ob überhaupt Zweifel an der Eignung bestehen. Eine andere Betrachtungsweise liefe dem in § 29 Abs. 8 (ab 1.5.2014: Abs. 7) StVG, § 51 Abs. 1 BZRG zum Ausdruck kommenden Rehabilitationsgedanken zuwider.[78]

War bereits ein Fahreignungsgutachten (medizinisch-psychologisches Gutachten) erstellt worden, so bewirkt dies keine Zäsur in dem Sinn, dass die vor Erstellung dieses Gutachtens liegende Umstände bei einer späteren Beurteilung der Fahreignung nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Bei einer späteren Fahreignungsbeurteilung dürfen daher zeitlich nach wie auch vor der früheren Begutachtung liegende Umstände berücksichtigt werden. Denn selbst bei der Neuerteilung einer FE dürfen zeitlich davor liegende Umstände bei einer späteren Fahreignungsbeurteilung berücksichtigt werden. Umso mehr gilt das für die bloße vorbereitende Maßnahme eines Fahreignungsgutachtens.[79]

[72] Gebhardt, § 60 Rn 38.
[73] VG Oldenburg, Beschl. v. 14.5.2003 – 7 B 1544/03, zfs 2003, 527.
[74] OVG Greifswald NJW 2008, 3016; VG Augsburg BA 2003, 264.
[75] BayVGH zfs 1997, 198; OVG NRW VRS 60, 475; OVG RP zfs 2000, 320, 321; VG Neustadt a.d.W. zfs 2001, 569.
[76] BayVGH zfs 1997, 198; anders ist das beim Entzug der FE nach dem Punktsystem, in § 4 StVG vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 25.9.2008, 3 C 21.07, BVerwGE 132, 57 = NJW 2009, 610.
[77] OVG Bbg v. 18.1.2011 NZV 2011, 469; so auch SächsOVG v. 24.7.2008 – 3 B 18/08; OVG MV v. 13.2.2007 – 1 M 13/07.
[78] OVG RP zfs 2000, 320, 321.
[79] BayVGH, Beschl. v. 6.5.2008, 11 CS 08.551 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht BayVGH, Beschl. v. 5.11.2002, 11 CS 02.1343; vgl. Geiger, DAR 2009, 61/68.

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