A. Allgemeines
I. Verwaltungsprozess im Wandel
Rz. 1
Durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20.12.2001,[1] das zum 1.1.2002 in Kraft getreten ist, wurden zahlreiche Änderungen der VwGO vorgenommen. Im Wesentlichen geht es um Korrekturen im Rechtsmittelrecht und um Klarstellungen zu bisher streitig diskutierten Rechtsfragen.[2] Genannt sei hier insbesondere die Abschaffung der Zulassungsbeschwerde und Neuregelungen im Rahmen der Berufung. § 194 VwGO trifft eine Übergangsregelung. Die durchaus uneinheitliche Ausgestaltung des Instanzenzuges im Verwaltungsprozess mit ihrer Unterscheidung zwischen Zulassung und Einlegung von Rechtsmitteln birgt für den RA eine erhebliche Fehlerquelle.[3] Rechtsbehelfserklärungen sind zwar grundsätzlich einer Umdeutung zugänglich.[4] Dies wird aber eher restriktiv behandelt.
Rz. 2
Die Einführung der Anhörungsrüge durch § 152a VwGO,[5] die auf die Rechtsprechung des BVerfG,[6] zurückgeht, ermöglicht einen eigenständigen außerordentlichen Rechtsbehelf, mit dem allerdings nur ein Anhörungsverstoß gerügt werden kann. Dieser Rechtsbehelf ist subsidiär und kommt erst dann in Frage, wenn der Anhörungsverstoß nicht im Rahmen anderer zur Überprüfung der Entscheidung gegebener Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel angegangen werden kann. Im Übrigen sind nicht zuletzt mit Blick auf diese Regelung die außerordentliche Beschwerde und auch die Gegenvorstellung streitig (vgl. dazu unten Rdn 184 ff, 192 ff.).[7]
Rz. 3
Durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005[8] wurde die elektronische Form im Prozess ermöglicht (vgl. §§ 55a VwGO [Elektronische Datenübermittlung], 55b VwGO [Elektronische Aktenführung]).
Rz. 4
Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007[9] brachte eine vollständige Neufassung des § 67 VwGO zur Prozessvertretung (siehe § 56 Rdn 8 ff.).
II. Vertretungszwang
Rz. 5
Vor dem BVerwG und dem OVG besteht – außer im Prozesskostenhilfeverfahren – für alle Beteiligten Vertretungszwang, § 67 Abs. 4 VwGO (Einzelheiten dazu § 56 Rdn 8 ff.). Als Bevollmächtigte sind hier nur Rechtsanwälte oder Rechtslehrer i.S.d. § 67 Abs. 2 VwGO zugelassen, § 67 Abs. 4 S. 3 VwGO. Für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Recht gilt eine Sonderregelung zur Vertretung ("Behördenprivileg", § 67 Abs. 4 S. 4 VwGO), ebenso für bestimmte weitere Vertretungsberechtigte i.S.d. § 67 Abs. 2 S. 2 VwGO (§ 67 Abs. 4 S. 5 ff. VwGO).
Rz. 6
Der Vertretungszwang umfasst grundsätzlich alle Verfahren vor dem BVerwG und OVG und zwar unabhängig davon, ob es sich um Verfahren in erster Instanz oder um Rechtmittelverfahren handeln. Er gilt für das gesamte Verfahren und ihm unterliegen nicht nur die Anträge sondern alle Prozesshandlungen vor diesen Gerichten. Sie gilt für die Vertretung außerhalb der mündlichen Verhandlung und für die Vertretung in der mündlichen Verhandlung (vgl. § 56 Rdn 16).
III. Aktenvorlage und Auskünfte; Vorlage- und Auskunftspflicht (§ 99 VwGO)
Rz. 7
Nach § 99 Abs. 1 VwGO sind die Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Die oberste Aufsichtsbehörde kann dabei die Vorlage von Urkunden oder Akten und die Auskunftserteilung verweigern, wenn dadurch staatliche Geheimhaltungsinteressen betroffen sind. Die Rechtsprechung des BVerfG hat mit Blick auf den effektiven Rechtsschutz eine Rechtsänderung angemahnt,[10] die sich in § 99 Abs. 2 VwGO findet. Liegt eine Verweigerung der Behörde im oben beschriebenen Sinne vor, so entscheidet auf Antrag eines Beteiligten das OVG/der VGH bzw. bei obersten Bundesbehörden das BVerwG in einem gesonderten Zwischenverfahren über die Rechtmäßigkeit der Weigerung (in-camera-Verfahren).
IV. Streichung der prozessualen Vorschriften über die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern
Rz. 8
Durch die Streichung des § 87 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 und des § 94 S. 2 VwGO, die ausschließlich prozessrechtliche Bedeutung hatten, soll den bislang vorgebrachten Bedenken Rechnung getragen werden, dass das VG aufgrund dieser Regelungen in bedenklicher Weise zu einem "Reparaturbetrieb für die Verwaltung" gemacht wurde. Immerhin ermöglicht § 114 S. 2 VwGO aber die Ergänzung von Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (siehe dazu § 56 Rdn 70 ff.).
Rz. 9
Nach wie vor gelten aber die Regelungen im VwVfG und in den Landesverwaltun...
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