1. Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 221

§ 128a ZPO ermöglicht in Abweichung von § 128 Abs. 1 ZPO die Durchführung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme als Videokonferenz.[157] Die Vorschrift dient in erster Linie der Prozessökonomie.[158] Sie hat jedoch darüber hinaus während der Covid-19-Pandemie an Bedeutung als Mittel zu Kontaktbeschränkung erlangt.[159] Ungeschriebene Voraussetzung dafür ist jedoch das Vorhandensein einer entsprechenden technischen Ausstattung bei dem jeweiligen Gericht, worauf die Parteien keinen Anspruch haben.[160] Es muss sichergestellt sein, dass alle Beteiligten das Geschehen zeitgleich in Bild und Ton miterleben können.[161] Der Verlust an Unmittelbarkeit der Verhandlung ist grundsätzlich hinnehmbar.[162] Die Zuschaltung aus dem Ausland zu der Videokonferenz ist auf Grundlage des § 128a ZPO ohne zwischenstaatliche Regelung allerdings nicht möglich,[163] da dadurch eine deutsche Gerichtsverhandlung im Ausland stattfinden würde und so in die Souveränität des anderen Staates eingegriffen würde.[164]

 

Rz. 222

Eine Beweisaufnahme per Videokonferenz ist nur in den in § 128a Abs. 2 ZPO aufgeführten Fällen der Zeugenvernehmung, der Anhörung des Sachverständigen oder der Parteivernehmung zulässig und nicht in anderen Fällen der Beweisaufnahme, wie z.B. der Augenscheinnahme oder dem Urkundenbeweis.[165]

 

Rz. 223

Die Entscheidung, ob eine Verhandlung im Wege der Videokonferenz gestattet wird, steht – auch wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen – im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.[166] Die Entscheidung ist gem. § 128a Abs. 3. S. 2 ZPO unanfechtbar. Eine Pflicht, sich per Video zuschalten zu lassen, besteht für die Beteiligten nicht. Sie müssen dann bei ordnungsgemäßer Ladung im Gerichtssaal anwesend sein.[167]

Auch bei Wahrnehmung einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz entsteht für den Anwalt die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 RVG-VV.[168]

[157] Vgl. Thomas/Putzo, § 128a Rn 1; BLHAG/Anders, § 128a Rn 1.
[158] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 2.
[159] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 2, 4.
[160] Vgl. Thomas/Putzo, § 128a Rn 1.
[161] Vgl. Thomas/Putzo, § 128a Rn 7.
[162] Vgl. MüKoZPO/Fritsche, § 128a Rn 1.
[163] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 11.
[164] Vgl. MüKoZPO/Fritsche, § 128a Rn 3.
[165] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 6; MüKoZPO/Fritsche, § 128a Rn 13.
[166] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 15.
[167] Vgl. BLHAG/Anders, § 128a Rn 9.
[168] Vgl. Zöller/Geimer, § 128a Rn 12.

2. Muster: Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz

 

Rz. 224

Muster 57.55: Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz

 

Muster 57.55: Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz

An das Landgericht _____

In dem Rechtsstreit

_____ gegen _____

beantragen wir,

die mündliche Verhandlung vom _____ gemäß § 128a ZPO im Wege einer Videokonferenz durchzuführen und den Prozessbevollmächtigten sowie den Parteien die Anwesenheit an einem anderen Ort als dem Gerichtssaal zu gestatten.

Hilfsweise regen wir an,

das Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren durchzuführen.

Begründung:

Deutschlandweit ist das Sars-CoV-2-Infektionsgeschehen trotz der ergriffenen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung auf einem besorgniserregend hohen Niveau verblieben und zuletzt weiter im Ansteigen begriffen. Als sog. Hotspot mit einem Inzidenzwert von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen ist _____ besonders stark betroffen, sodass ab _____ zusätzliche Maßnahmen zur Infektionseindämmung und -vorbeugung ergriffen werden sollen.

Vor diesem Hintergrund scheint es angezeigt, die zivilprozessualen Möglichkeiten zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung unter persönlicher Anwesenheit des Gerichts, der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten (mindestens fünf Haushalte) auszuschöpfen. Daher sollte in dem vorliegenden Fall auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wege der Videokonferenz zurückgegriffen werden, notfalls, d.h. wenn das Gericht nicht über eine fest installierte Video-Konferenz-Technik verfügt, unter Einsatz individueller Endgeräte.

Nur ausnahmsweise ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Mündlichkeit zu machen. Angesichts der Pandemie-Situation sollte der Prozess jedoch im schriftlichen Verfahren durchgeführt werden, wenn sich eine Videokonferenz aus technischen Gründen als unmöglich herausstellen sollte.

Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.

(Rechtsanwalt)

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