Rz. 63

Der betroffene Bürger kann durch einen Antrag gem. § 80 Abs. 4 VwGO an die Behörde bzw. gem. § 80 Abs. 5 VwGO an das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen lassen.

 

Rz. 64

Die in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende gerichtliche Entscheidung ergeht nach ständiger verwaltungsgerichtlicher – verfassungsrechtlich unbedenklicher – Rechtsprechung[97] im Wege einer Interessenabwägung,[98] wobei das Interesse des ASt. an der Anordnung oder der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen VA abzuwägen sind. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird entweder durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache oder – vor allem wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen erscheinen – durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung aufgrund summarischer Erfolgsprüfung gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass das Suspensivinteresse des ASt. umso größeres Gewicht hat, je mehr der Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat. Umgekehrt hat das Vollziehungsinteresse umso mehr Gewicht, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat.[99]

 

Rz. 65

Diese nur die gerichtliche Abwägung der gegenläufigen Interessen betreffenden Grundsätze sind jedoch von der auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen – zuvor erfolgenden – behördlichen Prüfung zu unterscheiden, ob überhaupt ein in die Abwägung einstellbares Vollziehungsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 VwGO besteht, das eine Ausnahme von dem Grundsatz der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigt. Ist das nicht schon kraft Gesetzes der Fall (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 VwGO), so muss das Vollziehungsinteresse von der Behörde im Einzelfall entsprechend den Anforderungen nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO konkret festgestellt werden, wobei die aufgrund summarischer Erfolgsprüfung gewonnene gerichtliche Erkenntnis, dass der VA offensichtlich rechtmäßig ist, als solche kein Vollziehungsinteresse in diesem Sinne begründet.[100]

 

Rz. 66

Dies schließt nach VGH BW[101] allerdings nicht aus, dass sich das Vollziehungsinteresse im Einzelfall – auch – aus dem allgemeinen Erlassinteresse ergibt, bzw. mit diesem identisch ist. Dies gilt etwa, wenn bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr die begründete Besorgnis besteht, die mit dem VA bekämpfte Gefahr werde sich bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren, oder wenn ein VA ohne sofortige Vollziehung seinen Zweck verfehlt.[102]

 

Rz. 67

Wird die sofortige Vollziehung nicht sofort zusammen mit dem VA, sondern erst – unter Umständen längere Zeit – später angeordnet, so ist dies jedenfalls dann rechtlich unbedenklich, wenn die Notwendigkeit der Anordnung erst später eintritt oder der Behörde erst später bewusst wird.[103] Jedenfalls ist allein der Umstand, dass zwischen der erstmaligen Kenntniserlangung von Faktoren der Ungeeignetheit bis zur eigentlichen Entziehung der FE noch eine längere Zeit vergangen ist, kein Grund, die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Frage zu stellen.[104]

[97] Vgl. BVerfG DVBl 1996, 1369.
[98] VGH BW zfs 2000, 368.
[99] VGH BW zfs 2000, 369. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Suspensiveffekts: BVerfG, Beschl. v. 14. 9. 2016 – 1 BvR 1335/13 Rn 19 ff.
[100] VGH BW VBlBW 1997, 390, 391 m.w.N. unter Aufgabe der in VBlBW 1993, 390 vertretenen Auffassung.
[101] VBlBW 1997, 392.
[102] Vgl. auch Haus/Wohlfarth, Rn 454 f.
[103] Kopp/Schenke, § 80 Rn 96 m.w.N. in Fn 170.
[104] VG Saarland, Beschl. v. 28.5.2001 – 3 F 12/01, zfs 2001, 388.

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