Rz. 54

Begehrt der Arbeitgeber bei einem Schwerbehinderten vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes nach dem SGB IX oder vertritt der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers diesen im Verfahren ggü. dem Integrationsamt, ist str., nach welchem Gegenstandswert diese Tätigkeit abzurechnen ist. Nach einer Entscheidung des VGH Hessen v. 23.12.1987 (AnwBl. 1988, 488) soll auch für diesen Fall die Regelung des § 42 Abs. 2 GKG – 1/4 Jahresbezug als Regelstreitwert gelten.

 

Rz. 55

A.A. ist jedoch das BVerwG. Danach ist in Verwaltungsstreitigkeiten der Auffangstreitwert zugrunde zu legen (BVerwG v. 14.7.1991, MDR 1993, 584). Dieser beträgt nach der Neufassung des GKG gem. § 52 Abs. 2 GKG nunmehr 5.000 EUR (und nicht wie vormals 4.000 EUR gem. § 13 Abs. 1 GKG a.F.). Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Zustimmungsverfahren zur Kündigung eines Schwerbehinderten auf 5.000 EUR entspricht billigem Ermessen (so OVG Schleswig-Holstein v. 11.2.2014 – 3 O 45/12).

 

Rz. 56

Diese Auffassung erscheint zutreffend, da es in dem Verfahren vor dem Integrationsamt "nur" um dessen Zustimmung, aber noch nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt geht.

 

Rz. 57

Gleichwohl sollte die "lokale" Rspr. beachtet werden. Das AG Bingen (v. 23.10.2007, AE 2008, 78) hat entschieden, dass Streitwert des Verfahrens vor dem Integrationsamt 1/4 Jahreseinkommen ist. Wird jedoch – was in der Praxis durchaus häufiger vorkommt – in dem Verfahren vor dem Integrationsamt, in dem der Arbeitgeber die Zustimmung zur fristlosen oder fristgerechten Kündigung beantragt, die Angelegenheit insgesamt erledigt (die Parteien einigen sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses), zahlen die Rechtsschutzversicherer die hierdurch angefallenen Gebühren (Nr. 2300 und Nr. 1000 VV RVG) nach der Streitwertberechnung gem. § 42 Abs. 2 GKG, somit auf der Basis von drei Bruttomonatsgehältern.

 

Rz. 58

 

Hinweis

Vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen zur Einigungsgebühr, Rdn 41 ff. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, kann ggf. auch vor dem Integrationsamt wieder ein Vergleich geschlossen werden, ohne dass eine Sperrzeit zulasten des Arbeitnehmers verhängt werden darf.

Richtet sich der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Integrationsamt nach § 52 Abs. 2 GKG, greift nachfolgendes Abrechnungsbeispiel:

 

Rz. 59

 

Abrechnungsbeispiel

Der Arbeitgeber des schwerbehinderten Mandanten möchte diesem kündigen und beantragt vor dem Integrationsamt die Zustimmung hierzu. Der Mandant beauftragt seinen Anwalt, in diesem Verfahren tätig zu werden. Die Zustimmung wird schließlich im Widerspruchsverfahren erteilt. Anschließend erhält der Mandant die Kündigung. Hiergegen wendet sich der Anwalt auftragsgemäß zunächst außergerichtlich und erhebt anschließend Kündigungsschutzklage (Monatsbruttogehalt: 2.000 EUR/Streitwert Kündigungsschutzklage: 6.000 EUR), über die sich die Parteien im Gütetermin vergleichen.

Abrechnung

Folgende Gebühren – ausgehend jeweils von einer Mittelgebühr – entstehen:

Verfahren vor dem Integrationsamt:

Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 5.000,00 EUR gem. § 52 Abs. 2 GKG)

 
1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG 501,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 521,00 EUR

Widerspruchsverfahren (Wert: 5.000,00 EUR)

 
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG 434,20 EUR

gem. Anm. zu Nr. 2303 VV RVG anzurechnen:

0,75 Geschäftsgebühr aus 5.000,00 EUR
– 250,50 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 203,70 EUR

Kündigung:

Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 6.000,00 EUR)

 
1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG 585,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 605,00 EUR

Rechtsstreit (Wert: 6.000,00 EUR)

 
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 507,00 EUR

gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen:

0,75 Geschäftsgebühr

zu B.I.1. aus 6.000,00 EUR
– 292,50 EUR
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 468,00 EUR
1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV RVG 390,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 1.092,50 EUR

Der Mandant schuldet folglich 2.422,20 EUR netto (zuzüglich USt und sonstiger etwaig angefallener Kosten z.B. Reisekosten).

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