Rz. 94

Der Widerspruch ist begründet, soweit der angefochtene Verwaltungsakt (Anfechtungswiderspruch) bzw. die Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsaktes (Verpflichtungswiderspruch)

rechtswidrig oder zweckwidrig ist und
der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt wird (für Anfechtungswiderspruch: § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO analog, für Verpflichtungswiderspruch: § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO analog).[132]
 

Rz. 95

Im Bereich der Ermessensverwaltung ist der Widerspruch auch dann begründet, wenn die Entscheidung zwar nicht rechtswidrig, wohl aber unzweckmäßig ist und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten berührt ist (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Eine Entscheidung ist unzweckmäßig, wenn sie zwar rechtlich möglich, aber nicht unerlässlich oder weniger geeignet ist oder wenn auf eine behördliche Maßnahme überhaupt hätte verzichtet werden können.[133]

 

Rz. 96

Zweckwidrig ist die angefochtene Verwaltungsmaßnahme also dann, wenn sie außerrechtlichen Prüfungsmerkmalen nicht standhält, z.B.

Beurteilung der (verwaltungs-)politischen Durchsetzbarkeit einer Entscheidung,
Frage nach dem ökonomischen oder ökologischen Effekt,
Beurteilung der in Zukunft entstehenden Folgekosten,
Frage nach der sozialen Relevanz einer Entscheidung,

soweit diese Gesichtspunkte nicht mit Rechtmäßigkeitsfragen verbunden sind.[134]

 

Rz. 97

 

Beispiel

Ob sich die zur Vergabe des Straßennamens zuständige Stelle für den einen oder den anderen Straßennamen entscheidet, wird in aller Regel eine Frage der Zweckmäßigkeit sein.

 

Rz. 98

 

Hinweis

In der Praxis wird die Frage der Zweckmäßigkeit vor allem relevant werden, wenn es gilt, zwischen mehreren allesamt rechtmäßigen, insbesondere verhältnismäßigen und geeigneten Mitteln auszuwählen. Verstößt eine der Maßnahmen aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so handelt es sich nicht um eine zweckwidrige, sondern um eine rechtswidrige Maßnahme.

[132] Zum grundsätzlich unterschiedlichen Ansatz von Anfechtungs- und Verpflichtungswiderspruch siehe Brühl, JuS 1994, 157, 158; Heilmann, DVP 1995, 445 ff.
[133] OVG Saarland VerwRspr. 12, 300; Maurer, DVP 1978, 128.
[134] Die im Rahmen der Zweckwidrigkeit genannten Beispiele der Wirtschaftlichkeitsprüfung, Rationalitätsprüfung oder auch das Betrachten des ökologischen Effekts sind aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund effizienten und effektiven Verwaltungshandelns sowie auf der Grundlage eines geänderten Umweltverständnisses häufig zu Rechtsfragen erhoben worden. Insoweit stellt sich dann jedenfalls nicht die Frage der Zweckmäßigkeit, sondern die der Rechtmäßigkeit.

I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines Verwaltungsaktes; Zweckmäßigkeitsüberlegungen

1. Formelle Erfordernisse

a) Zuständigkeit

 

Rz. 99

Unter Zuständigkeit ist die sachliche, instanzielle und örtliche Zuständigkeit zu verstehen (vgl. dazu insbesondere die jeweiligen Landesorganisationsgesetze und die speziellen landesrechtlichen Zuständigkeitsregeln).[135]

[135] Zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines Verwaltungsaktes vgl. dazu Schnapp/Henkenötter, Wann ist ein VA fehlerhaft?, JuS 1998, 524 ff., 624 ff; Schnapp/Cordewener, Welche Rechtsfolgen hat die Fehlerhaftigkeit eines VA?, JuS 1999, 39 ff., 147 ff.

b) Form

 

Rz. 100

Der Erlass eines VA erfolgt grundsätzlich formfrei, § 37 Abs. 2 VwVfG; aber Spezialregelungen beachten, z.B.: § 10 Abs. 7 BImSchG; § 16 StAG; §§ 69 Abs. 2 S. 1 und 74 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 VwVfG.

 

Rz. 101

Danach kann ein VA erlassen werden:

schriftlich
elektronisch
mündlich
in anderer Weise
 

Rz. 102

Ein VA ist in anderer Weise erlassen, wenn er durch Zeichen oder konkludentes Handeln ergeht. Im Verkehrsrecht ist hier vor allem die Verkehrsregelung durch Polizeibeamte mit Handzeichen und durch maschinelle Zeichen wie Lichtzeichen von Verkehrsampeln und anderen Verkehrseinrichtungen zu nennen.

 

Rz. 103

Oben (siehe § 2 Rdn 42 ff.) wurde dargelegt, dass die Entziehung der FE aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes des betroffenen Kraftfahrers und aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie aus dem Bestimmtheitsgebot der Schriftform bedarf.

 

Rz. 104

Die FE ist durch eine amtliche Bescheinigung (Führerschein) nachzuweisen (§ 2 Abs. 1 S. 3 StVG, § 4 Abs. 2 S. 1 FeV). Der Führerschein hat konstitutive Bedeutung insofern, als die FE durch die Aushändigung des Führerscheins erteilt wird (§ 22 Abs. 4 S. 7 FeV). Der Führerschein wird nach Muster 1 bis 4 der Anlage 8 zur FeV ausgefertigt (§§ 25 Abs. 1 S. 1, 26 Abs. 1, 48 Abs. 3 FeV). Insofern unterliegt der Führerschein besonderen Förmlichkeiten (vgl. insgesamt insbesondere Anlage 8 zur FeV).

 

Rz. 105

Die Verfügungen, durch die die FE entzogen wird (§ 3 Abs. 1 StVG, § 46 f. FeV) und durch die zur Ablieferung des Führerscheins aufgefordert wird (§ 3 Abs. 2 S. 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV), bedürfen dann als die der Erlaubnis entgegengesetzten Akte aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Schriftform.

 

Rz. 106

Im Übrigen gilt § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG, wonach ein mündlicher VA schriftlich oder elektronisch zu bestätigen ist, wenn hieran ein berechtigtes Interesse (z.B. Überprüfung der Einlegung von Rechtsbehelfen) besteht und ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge