A. Kündigungsschutzprozess

[Autor] Houben

I. Klagefrist

1. Drei-Wochen-Frist

 

Rz. 1

Der Arbeitnehmer muss jede schriftliche Kündigung, die er nicht akzeptieren will, weil er sie für sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen für rechtsunwirksam hält, gem. § 4 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang beim ArbG mit der Kündigungsschutzklage angreifen. Allerdings kann der Arbeitnehmer gem. § 6 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch alle Gründe für die Unzulässigkeit der Kündigung vorbringen, auf die er sich nicht schon innerhalb der Klagefrist berufen hat. Die Klagefrist steht im systematischen Zusammenhang mit § 7 KSchG, wonach eine Kündigung als rechtswirksam gilt, wenn sie nicht fristgerecht angegriffen wird. Dahinter steht der Gedanke, dass der Arbeitgeber alsbald wissen soll, ob der Arbeitnehmer die Kündigung hinnimmt oder ihre Unwirksamkeit gerichtlich geltend macht.

Die Klagefrist des § 4 KSchG ist auch zu beachten, wenn der Arbeitnehmer nach § 2 KSchG geltend machen will, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung verweist § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG ausdrücklich auf die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG.

Die dreiwöchige Klagefrist ist auch außerhalb des Anwendungsbereiches des allgemeinen Kündigungsschutzes, z.B. bei Kündigungen in Kleinbetrieben oder innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, zu beachten. Sie gilt bei der Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, soweit nicht nach § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Auszubildendenstreitigkeiten gebildeten Ausschuss stattfinden muss (s. Rdn 14).

Kündigungen, die wegen der Nichteinhaltung der Schriftform nichtig sind (§§ 623, 125 BGB) müssen dagegen nicht innerhalb von drei Wochen gerichtlich angefochten werden, weil § 4 S. 1 KSchG nur für schriftliche Kündigungen gilt (BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 873/06, NZA 2007, 972). Hier kann der Arbeitnehmer, innerhalb der Grenzen der Verwirkung, Leistungsklage oder allgemeine Feststellungsklage erheben, mit dem Antrag, festzustellen, er stehe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Entsprechendes gilt bei der Anfechtung des Arbeitsvertrags; denn hierbei handelt es sich um keine Kündigung. Kündigt ein vollmachtloser Vertreter oder ein Nichtberechtigter das Arbeitsverhältnis, liegt keine Kündigung des Arbeitgebers i.S.v. § 4 S. 1 KSchG vor. Eine ohne Billigung des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung ist dem Arbeitgeber erst nach Genehmigung zuzurechnen, mit der Folge, dass die Klagefrist frühestens mit Zugang der Genehmigung zu laufen beginnt (BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 403/07).

Die Klagefrist des § 4 KSchG gilt nicht für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers (BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 57/17, NJW 2017, 3800).

 

Rz. 2

 

Hinweis

Kommt es dem Arbeitnehmer nur auf die Einhaltung der Kündigungsfrist an, stellt er also nicht infrage, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung als solche aufgelöst wird, muss die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG nicht beachtet werden (BAG v. 15.12.2005, EzA KSchG § 4 n.F. Nr. 72; 22.7.2010 – 6 AZR 480/09). Daher kann die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht oder nicht vollständig gezahlte Vergütung auch noch nach Ablauf von drei Wochen seit Zugang der Kündigung eingeklagt werden. Etwas anderes gilt, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt (BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09).

 

Rz. 3

Wird die dreiwöchige Klagefrist versäumt und kommt auch eine Zulassung der verspäteten Klage gem. § 5 KSchG (Rdn 15 ff.) oder eine Verlängerung der Anrufungsfrist nach § 6 KSchG (Rdn 30 ff.) nicht in Betracht, hat dies nach § 7 KSchG zur Folge, dass

die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt,
bzw. ein vom Arbeitnehmer nach § 2 KSchG erklärter Vorbehalt erlischt.
 

Rz. 4

Die dreiwöchige Klagefrist beginnt mit dem Zugang der Kündigungserklärung zu laufen. Die schriftliche Kündigung unter Anwesenden gilt mit ihrer Übergabe als zugegangen (§ 130 Abs. 1 BGB). Entscheidend ist, dass der Empfänger vom Inhalt des Kündigungsschreibens Kenntnis nehmen kann. Die Kenntnisnahmemöglichkeit bestand auch dann, wenn der Kündigungsempfänger das ihm übergebene Kündigungsschreiben ungelesen liegen lässt und tatsächlich den Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt (BAG v. 4.11.2004 – 2 AZR 17/04).

Unter Abwesenden gilt die Kündigungserklärung als zugegangen, wenn sie in verkehrsüblicher Weise so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit hat, ihren Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (BAG v. 8.12.1983, DB 1984, 1202 = NZA 1984, 31; BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11). Zum Bereich des Empfängers gehören auch die von ihm vorgehaltenen Empfangsvorrichtungen wie z.B. ein Briefkasten. Der Einwurf in den Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Bei einem Hausbriefkasten ist auf die üblichen Postzustellzeit...

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