A. Praktische Bedeutung

 

Rz. 1

In der Praxis des Verkehrsverwaltungsrechts spielt das Fahrtenbuch eine nicht unwesentliche Rolle. Gerne neigen Behörden dazu, in Ordnungswidrigkeitenverfahren, in denen kein Fahrer ermittelt werden konnte, Fahrtenbuchauflagen übergebührend auch auf Fahrzeugflotten mit mehreren Fahrzeugen auszudehnen. Mit dem Führen eines Fahrtenbuches soll einem Fahrzeughalter aufgegeben werden, dafür Sorge zu tragen, dass künftig problemlos festgestellt werden kann, welcher Fahrzeugführer den Verkehrsvorschriften zuwider gehandelt hat.[1]

[1] Vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 – 11 B 7/95 = zfs 1995, 397.

B. Zweck der Regelung

 

Rz. 2

Es handelt sich bei der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches um eine behördliche Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr in Gestalt eines Verwaltungsakts, der in die Rechte des Adressaten eingreift, vgl. dazu § 28 Abs. 1 VwVfG.

 

Rz. 3

Mit der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches soll dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuches gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist.

 

Rz. 4

Diese Anordnung ist ein sog. Dauerverwaltungsakt. Dessen Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.[2]

C. Voraussetzungen

 

Rz. 5

Nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht rechtfertigt eine Fahrtenbuchauflage. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß festgestellt, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt.[3] Ein Rechtssatz, dass bei einem erstmaligen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht zunächst die Androhung der Fahrtenbuchauflage zu erfolgen hat, steht zwar nicht im Gesetz, ergibt sich aber daraus, dass die Fahrtenbuchauflage mit der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes steht und fällt. Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt nicht davon ab, ob dieser zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat.[4]

 

Rz. 6

Muster 50.1: Einspruch gegen unverhältnismäßige Fahrtenbuchauflage

 

Muster 50.1: Einspruch gegen unverhältnismäßige Fahrtenbuchauflage

Landkreis _________________________

– Fahrerlaubnisbehörde –

Aktenzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ausweislich der beigefügten Vollmacht, vertrete ich die rechtlichen Interessen des Herrn _________________________.

Gegen Ihren Bescheid vom _________________________, in dem Sie meinen Mandanten verpflichten, für die Dauer von 12 Monaten für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen _________________________ ein Fahrtenbuch zu führen, lege ich

Einspruch

ein.

Begründung:

Die Fahrtenbuchauflage ist rechtswidrig und verletzt den Betroffenen in seinen Rechten. Die Voraussetzung für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches gem. § 31a Abs. 1 StVZO liegen nicht vor.

Es ist allgemein anerkannt, dass nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht die von Ihnen beabsichtigte Fahrtenbuchauflage rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 – 11 B 7/95 = zfs 1995, 397 m.w.N).

Herr _________________________ ist bislang weder straf- noch ordnungswidrigkeitenrechtlich in Erscheinung getreten. Mit dem auf meinen Mandanten zugelassen Fahrzeug wurde unstreitig am _________________________ in _________________________ eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften von 14 km/h begangen. Mein Mandat war zum Tatzeitpunkt unzweifelhaft nicht der Fahrzeugführer des Fahrzeuges. Trotz intensiver Bemühungen konnte er zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht beitragen.

Die beabsichtigte Fahrtenbuchauflage erweist sich jedoch als unverhältnismäßig, da die mit dem Fahrzeug meines Mandanten begangene Ordnungswidrigkeit nicht einmal mit einem Punkt i.S.v. Anlage 13 FeV bewertet wird.

 

Rz. 7

Unwesentliche Verkehrsordnungswidrigkeiten können also eine Fahrtenbuchauflage nicht auflösen. Ob ein Verstoß von einigem Gewicht vorliegt, entzieht sich einer generellen Klärung und bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Rz. 8

Ein solcher Verstoß soll jedoch schon bereits dann angenommen werden können, wenn er mit nur einem Punkt i.S.v. von Anlage 13 FeV bewertet wurde.[5] Eine weitere Voraussetzung ist hier, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Erforderlich ist hier jedoch, dass die Behörde alle im Einzelfall nötigen und möglichen Nachforschungen zur Ermittlung des Fahrzeugführers angestellt hat.

[3] BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 – 11 B 7/95 = zfs 1995, 397, m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 7.12.1981 – 2 BvR 1172/81 = NJW 1982, 568; BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108/91 = zfs 1992, 286; VG Saarland, Beschl. v. 5.2.1997 – 3 F 10/97 A = zfs 1997, 318.
[4] BVerwG, Urt. v. 17.5.1995 – 11 C 12/94 = zfs 1995, 396, 397.
[5] Vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 = zfs 2000, 368.

D. Anwaltliche Verteidigungsmöglichkeiten

I. Behördliche Ermittlungsbemühungen

 

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