Rz. 532

Ein schriftlicher Bescheid wird nicht durch Untätigkeit des Anspruchsberechtigten über einen längeren Zeitraum ("Einschlafen") überflüssig.[496] Die bloße Untätigkeit des Anspruchstellers während eines längeren Zeitraumes berechtigt keineswegs zu der Annahme, der schriftliche Bescheid sei überflüssig und sinnlos, mit ihm könne der Anspruchsteller billigerweise nicht mehr rechnen.[497]

 

Rz. 533

Allerdings hindert § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. nicht, das Verhalten eines Geschädigten, der sich auf das Fehlen einer schriftlichen Entscheidung beruft, an Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu messen. Der Schutzgedanke, der § 115 Abs. 2 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. zugrunde liegt, verliert dann seine Bedeutung, wenn für den Geschädigten kein Schutzbedürfnis mehr besteht (z.B. wenn die Erteilung eines schriftlichen Bescheids durch den Versicherer keinen vernünftigen Sinn mehr hätte und nur eine reine Förmelei wäre, weil der Geschädigte die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche inzwischen offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt und daher auf einen endgültig ablehnenden Bescheid des Versicherers gar nicht mehr wartet).[498]

[496] BGH v. 15.11.1977 – VI ZR 250/76 – VersR 1978, 93.
[497] BGH v. 14.3.2017 – VI ZR 226/16 – MDR 2017, 882 = NJW 2017, 2271 (Anm. Voit) = r+s 2017, 387 = VersR 2017, 816 = WM 2017, 1127 (Vorinstanz OLG Celle v. 11.5.2016 – 14 U 168/15); BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – NJW 1977, 674, 675 (zu § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.).
[498] BGH v. 17.1.1978 – VI ZR 116/76 – MDR 1978, 480 = VersR 1978, 423 (Auch das Verhalten des Geschädigten, der sich auf das Fehlen einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers beruft, ist an den Grundsatz von Treu und Glauben zu messen und kann dann dazu führen, ihm die Berufung auf eine Fortdauer der Verjährungshemmung zu verwehren), BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – MDR 1977, 485 = NJW 1977, 674 = VersR 1977, 335 (Der Schutzgedanke des § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F., nämlich wirksamere Gestaltung des Schutzes der Verkehrsopfer, verliert dann seine Berechtigung, wenn für den Geschädigten keinerlei Schutzbedürfnis mehr besteht, z.B. wenn die Erteilung eines schriftlichen Bescheids durch den Versicherer keinen vernünftigen Sinne mehr hätte und nur reine Förmelei wäre, weil der Geschädigte die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche inzwischen offensichtlich nicht mehr weiter verfolgt.); OLG Celle v. 27.9.2005 – 14 U 59/05 – SP 2006, 278 (Auf eine dauerhafte Hemmung durch Anmeldung seiner Ansprüche kann der Geschädigte sich mehr berufen, wenn er, nachdem der Versicherer die letzten Zahlungen geleistet hat, jahrelang – konkret fast 15 Jahre – nicht mehr auf die Angelegenheit zurückgekommen ist. Spätestens nach Ablauf von 10 Jahren nach der letzten Zahlung endete die Hemmung.), OLG Celle v. 22.5.2003 – 14 U 253/00 – OLGR Celle 2003, 369 (Ein Verkehrsunfallgeschädigter ist nach Treu und Glauben an einer Berufung auf die Fortdauer einer Verjährungshemmung mangels schriftlicher Erklärung der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung i.S.v. v. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. gehindert, wenn er zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht mehr auf eine solche schriftliche Entscheidung wartet), OLG Hamm v. 18.1.2013 – 9 U 23/12 – BeckRS 2013, 02178 = NJW 2013, 1458 = NZV 2013, 348 = r+s 2013, 360 = SP 2013, 21, OLG Oldenburg v. 9.2.2000 – 2 U 272/99 – NVersZ 2001, 509 = VersR 2002, 303 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 22.11.2000 – IV ZR 75/00) (zu § 12 Abs. 2 VVG a.F.), OLG Schleswig-Holstein v. 18.7.2001 – 9 U 95/00 – OLGR Schleswig 2001, 465 = VersR 2001, 1231 (Liegen besondere Umstände vor, steht dem Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) eines Anspruchs des Versicherungsnehmers nach § 3 Nr. 1 PflVG a.F. nicht entgegen, dass es der Versicherer in der Hand hat, die Hemmung der Verjährung durch eine den Anforderungen des § 3 Nr. 3 S 3 PflVG a.F. genügende Entscheidung zu beenden); LG Duisburg v. 9.9.1999 – 22 S 188/99 – SP 2000, 211. Siehe auch BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – NJW 1977, 674 = VersR 1977, 335.

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