Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erfüllung der Anforderungen an eine die Verjährungshemmung beendende positive Entscheidung des Versicherers reicht es nicht aus, dass dieser zu erkennen gibt ("nach den bisherigen Erkenntnissen"), dass der Anspruchsgrund (wohl) nicht bestritten werde, wenn sich aus dem - einen Monat nach einem Verkehrsunfall mit schweren gesundheitlichen Folgen für die Unfallgegnerin datierenden - Schreiben des Versicherers noch nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen lässt, ob er auch alle künftigen angesichts der Verletzungen der Geschädigten noch zu erwartenden Schadensposten, die bis dahin noch nicht Gegenstand der Abrechnung sind und angesichts der Schwere der Verletzungen auch noch nicht absehbar sind, zu ersetzen bereit sein wird, soweit sie betragsmäßig belegt werden.

2. Auch wenn es im Interesse der Rechtssicherheit geboten ist, dass grundsätzlich nur der Versicherer durch seine schriftliche Entscheidung die für den Direktanspruch geltende Verjährungsfrist wieder in Lauf setzen kann, bedeutet das nicht, dass der Geschädigte sich stets auch noch nach Jahr und Tag auf das Fehlen einer Entscheidung des Versicherers berufen könnte, um so der seinen Ansprüchen gegenüber erhobenen Verjährungseinrede zu entgehen.

3. Kündigt die Geschädigte - nach einem Verkehrsunfall im Januar 2012 - mit Anwaltsschreiben vom 05. November 2012 und 13. Dezember 2012 an, es werde demnächst eine "vorläufige" bzw. "endgültige" Bezifferung ihrer Ansprüche erfolgen, sobald die angeforderten Arztberichte komplett vorlägen, und erfolgt diese Bezifferung trotz Übermittlung des letzten angeforderten Arztberichts am 13. Dezember 2012 erst am 29. Dezember 2016, ist eine Verwirkung der Ansprüche der Geschädigten nicht anzunehmen.

4. Eine Verwirkung durch das weitere Verstreichenlassen von 20 Monaten zwischen Zurückweisung der Ansprüche seitens des Versicherers bis zur Klageerhebung ist nicht geeignet, den Tatbestand der Verwirkung vor der Verjährung des Anspruchs zu begründen.

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 3 O 199/18)

 

Tenor

I. Der Senat hat die Sache im Hinblick auf die Verjährungsproblematik eingehend vorberaten. Entscheidend ist zum einen, ob das Schreiben der Beklagten vom 22. Februar 2011 (Anlage B1, Bl. 38 d. A.) als Entscheidung der Versicherung gemäß § 115 Abs. 3 S. 3 VVG zu qualifizieren ist, die ein Ende der Verjährungshemmung bewirkte. Dies ist nach Auffassung des Senats mit dem Landgericht zu verneinen (nachfolgend Ziffer 1).

Die Anschlussfrage, ob die Klägerin gemäß § 242 BGB gehindert war, sich auf die Fortdauer der Verjährungshemmung zu berufen, beurteilt der Senat - nach vorläufiger Rechtsauffassung - im Ergebnis anders als das Landgericht und sieht den Anspruch daher nicht als verjährt an (nachfolgend Ziffer 2).

 

Gründe

1. Die mit Anmeldung des Anspruchs der Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 2. Februar 2011 eingetretene Hemmung der Verjährung gemäß § 115 Abs. 3 S. 3 VVG wurde durch das Schreiben der Beklagten vom 22. Februar 2011 nicht beendet. Die Beendigung der Hemmung durch eine Entscheidung des Versicherers in Textform erfordert eine eindeutige und abschließende Entscheidung, die sowohl eine anspruchsbejahende als auch eine anspruchsablehnende Erklärung beinhalten kann. Da die Regelung bezweckt, den Geschädigten für den Fall einer sehr langen Dauer der Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Nachteilen der Verjährung zu schützen und ihn während der Zeit, in der die Reaktion des Versicherers auf die Anspruchsanmeldung noch in der Schwebe ist, vor dem Weiterlaufen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche gefährdenden Verjährung zu bewahren, muss die Erklärung der Versicherung zu den Ansprüchen erschöpfend, umfassend und endgültig sein (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 05. Dezember 1995, VI ZR 50/95, NJW-RR 1996, 474; Schneider in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG 2. Auflage 2017 § 115 VVG Rdnr. 35).

Das Landgericht hat insoweit die von der Rechtsprechung entwickelten Beurteilungskriterien zutreffend angewendet und ist mit überzeugender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass das Schreiben vom 22. Februar 2011 den strengen Anforderungen, die an eine die Verjährungshemmung beendende Erklärung der Versicherung im Sinne von § 115 Abs. 3 S. 3 VVG zu stellen sind, nicht genügt. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des Schreibens, das unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine endgültige Entscheidung der Versicherung noch nicht hinreichend wiedergibt. Insoweit sind zum einen die Schwere des Unfalls und die Art der Verletzungen sowie der relativ kurze Zeitraum mit noch nicht ausreichenden Beurteilungsgrundlagen nach Eintritt des Unfalls am 20. Januar 2011 mit zu berücksichtigen. Auch wenn die Beklagte in dem genannten Schreiben ankündigt, "nach den bisherigen Erkenntnissen" von einer 100%igen Haftung des Versicherungsnehmers und damit von einer uneingeschränkten Eintrittspflicht ihrerseits a...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge