A. Definition der Angelegenheit und des Gegenstands

I. Einmaligkeit der Gebühren

 

Rz. 1

§ 15 Abs. 2 RVG regelt, dass der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal fordern darf. In gerichtlichen Verfahren darf der Rechtsanwalt die Gebühren in jedem Rechtszug fordern; insoweit stellen das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 1 RVG).

 

Rz. 2

Die Werte mehrerer Gegenstände in derselben Angelegenheit werden addiert, § 22 Abs. 1 RVG. Für die Gerichtskosten gilt § 33 Abs. 1 FamGKG. In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Verfahrensgegenstände auch hier zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Was unter "derselben Angelegenheit" zu verstehen ist, wird im RVG in den §§ 16 bis 18 näher definiert. Zunächst ist jedoch eine Unterscheidung der Begriffe "Angelegenheit" und "Gegenstand" vorzunehmen.

 

Rz. 3

Der BGH definierte die Begriffe "Angelegenheit" und "Gegenstand" folgendermaßen:

Zitat

"Die Angelegenheit bedeutet den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei im Allgemeinen der dem Anwalt erteilte Auftrag entscheidet. Als Gegenstand wird das Recht oder Rechtsverhältnis angesehen, auf das sich auftragsgemäß die jeweilige anwaltliche Tätigkeit bezieht.[1] In einer Entscheidung des BGH aus 1995 heißt es: "Unter einer “Angelegenheit‘ im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der RA für den Auftraggeber besorgen soll. … Dabei ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend. Sowohl die Feststellung des Auftrags als auch die Abgrenzung im Einzelfall ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters."[2]"

 

Rz. 4

Einem Rechtsanwalt ist es nach dem BGH nicht erlaubt, im "gebührenrechtlichen Interesse" aus einem objektiv zusammengehörenden Sachverhalt verschiedene Angelegenheiten zu konstruieren.[3] Im Nachfolgenden wird die Problematik näher beleuchtet.

[1] Vgl. dazu BGH JurBüro 1972, 684 = MDR 1972, 766; AnwBl 1976, 337 = JurBüro 1976, 749.
[2] BGH NJW 1995, 1431.

II. Dieselbe Angelegenheit

1. Allgemeines

 

Rz. 5

Was unter dem Begriff "dieselbe Angelegenheit" in Familiensachen zu verstehen ist, definiert § 16 Nr. 4 RVG, der ausschließlich für Verbundverfahren zur Anwendung kommt, näher. Danach sind eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen als dieselbe Angelegenheit zu betrachten, mit der Folge, dass die Werte der einzelnen Gegenstände zu addieren und die Gebühren hieraus lediglich einmal gefordert werden dürfen, vgl. dazu § 15 Abs. 2 RVG. Mit Folgesachen sind solche gem. § 137 Abs. 2 u. 3 FamFG gemeint. Ein Verbundverfahren ist jedoch als solches jedoch nur im gerichtlichen Verfahren möglich. Dass ein Hauptsacheverfahren und ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verschiedene Angelegenheiten darstellen, regelt § 17 Nr. 4b RVG. Bezogen auf eine Zurückverweisung oder Fortführung einer Folgesache als selbstständige Familiensache finden wir Hinweise, wann von einer neuen gebührenrechtlichen Angelegenheit auszugehen ist, in § 21 Abs. 2 u. 3 RVG. Ansonsten "schweigt" das RVG zur Abgrenzung der gebührenrechtlichen Angelegenheit explizit bezogen auf Familiensachen weitgehend. Da aufgrund der Degressivität der Gebührentabelle die richtige Einordnung wirtschaftliche Auswirkungen hat, soll die Frage im Nachstehenden näher beleuchtet werden.

 

Rz. 6

Wird ein Anwalt im Hinblick auf eine später beabsichtigte Scheidung beauftragt, zunächst außergerichtlich tätig zu werden (z.B. wg. Unterhalt, Umgangsrecht, Zugewinnausgleich), ist in der Praxis umstritten,

ob § 16 Nr. 4 RVG auch für die vorgerichtliche Tätigkeit zur Anwendung kommt mit der Folge, dass nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt mit entsprechender Addition der Gegenstandswerte

oder

jeweils verschiedene Angelegenheiten bestehen, die dann gesondert abgerechnet werden können[4]
oder
§ 16 Nr. 4 RVG zwar nicht zur Anwendung kommt, gleichwohl dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegt.
 

Rz. 7

Wird der RA beauftragt, Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, liegt eine Angelegenheit vor. Wird er hingegen beauftragt, diese in getrennten Verfahren geltend zu machen, liegen mehrere Angelegenheiten vor. Entscheidend ist hierbei nicht die Verfahrensweise des RA.

Hat er den Auftrag, mehrere Ansprüche in einem Verfahren geltend zu machen, so kann er auch nicht durch die Geltendmachung der einzelnen Ansprüche in getrennten Angelegenheiten mehrere Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne hieraus kreieren. Der Mandant kann frei entscheiden, in welcher Weise verfahren werden soll. Der RA hat allerdings den Mandanten über die gebührenrechtlichen Konsequenzen zu belehren.

 

Rz. 8

Nach dem BGH[5] ist es einem Rechtsanwalt

Zitat

"… nicht erlaubt, einseitige und ohne hinreichenden Sachgrund anstehende Verfahren eines Auftraggebers zu vereinzeln, statt sie nach ihrer objektiven Zusammengehörigkeit als eine Angelegenheit zu behandeln, bei der die Gegenstandswerte zusammenzurechnen sind. Ist sowohl e...

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