Rz. 445

In der Praxis wird die Hebegebühr nur selten berechnet. Für viele Kanzleien gehört es zum "Service", dem Mandanten die Hebegebühr nicht in Rechnung zu stellen. Zu beachten ist jedoch, dass mit der Hebegebühr alle mit dem Zahlungsverkehr zusammenhängenden Tätigkeiten abgegolten werden, insbesondere die Überwachung der Einzahlung, Kontrolle der Gutschrift, Berechnung anfallender Bankzinsen, Einlösung von Schecks sowie die Auszahlung selbst und in gerichtlichen Verfahren auf Gebühren nicht generell verzichtet werden darf, § 49b Abs. 1 BRAO (vgl. § 5 Rdn 9 ff.).

1. Weiterleitung von Geldern

 

Rz. 446

Eine Hebegebühr entsteht immer dann, wenn der Rechtsanwalt entgegengenommene Beträge auszahlt oder zurückzahlt (z.B. Zugewinnausgleichsansprüche).

2. Gesetzestext

 

Rz. 447

 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG
1009 Hebegebühr  
  1. bis einschließlich 2.500,00 EUR 1,0 %
  2. von dem Mehrbetrag bis einschließlich 10.000,00 EUR 0,5 %
  3. von dem Mehrbetrag über 10.000,00 EUR 0,25 %
  (1) Die Gebühr wird für die Auszahlung oder Rückzahlung von entgegengenommenen Geldbeträgen erhoben. des aus- oder zurückgezahlten Betrags – mindestens 1,00 EUR
  (2) Unbare Zahlungen stehen baren Zahlungen gleich. Die Gebühr kann bei der Ablieferung an den Auftraggeber entnommen werden.
  (3) Ist das Geld in mehreren Beträgen gesondert ausgezahlt oder zurückgezahlt, wird die Gebühr von jedem Betrag gesondert erhoben.  
  (4) Für die Ablieferung oder Rücklieferung von Wertpapieren und Kostbarkeiten entsteht die in den Absätzen 1 bis 3 bestimmte Gebühr nach dem Wert.  
  (5) Die Hebegebühr entsteht nicht, soweit Kosten an ein Gericht oder eine Behörde weitergeleitet oder eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt oder eingezogene Beträge auf die Vergütung verrechnet werden.  

3. Verrechnung mit Fremdgeldern

 

Rz. 448

Der Anwalt ist berechtigt, die ihm zustehenden Hebegebühren unmittelbar vor Weiterleitung der Fremdgelder an seinen Auftraggeber zu entnehmen, Anmerkung Abs. 2 S. 2 zu Nr. 1009 VV RVG.

 

Rz. 449

Muster 44: Musterrechnung 5.44: Weiterleitung von Fremdgeld – Einbehalt der Hebegebühr

 

Musterrechnung 5.44: Weiterleitung von Fremdgeld – Einbehalt der Hebegebühr

Es soll ein Betrag in Höhe von 2.000,00 EUR an den Mandanten weitergeleitet werden. Der Rechtsanwalt kann als Hebegebühr berechnen:

 

Hebegebühr aus 2.000,00 EUR (1 %)

Nr. 1009 VV RVG
20,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 4,00 EUR
Zwischensumme 24,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 4,56 EUR
Summe 28,56 EUR

Den Betrag von 28,56 EUR kann der Rechtsanwalt vom weiterzuleitenden Betrag einbehalten. Er muss lediglich 1.971,44 EUR an den Mandanten auszahlen, Abs. 2 S. 2 der Anmerkung zu Nr. 1009 VV RVG.

Zu beachten ist, dass bei der Weiterleitung von Geldern an Dritte der Anwalt zur Entnahme seiner Hebegebühren nicht berechtigt ist, da er anderenfalls den Auftrag nicht vollständig ausführen kann.[325]

[325] Schneider/Wolf, RVG, 9. Aufl. VV Nr. 1009 Rn 60 + unter Verweis auf EuGH 15, 206.

4. Hinweispflicht zur Hebegebühr

 

Rz. 450

Muss der Rechtsanwalt den Mandanten darauf hinweisen, dass durch die Einziehung und Weiterleitung von Geldern die Hebegebühr anfällt und dass diese voraussichtlich nicht erstattungsfähig sein wird? Nach Ansicht von Schneider[326] ist ein solcher Hinweis nicht erforderlich, da es sich nicht um außergewöhnliche, ungewöhnlich hohe Kosten handelt. Nach Schneider (a.a.O.) dürfte es heute allgemein bekannt sein, dass auch im bargeldlosen Zahlungsverkehr Kosten anfallen und es dem Anwalt nicht zuzumuten ist, diese Kosten aus eigener Tasche zu bezahlen.

 

Rz. 451

 

Praxistipp

Die Verfasserin empfiehlt, im Rahmen eines guten Mandatsverhältnisses grundsätzlich auf derartige Kosten hinzuweisen. Insbesondere bei hohen Ansprüchen aus Zugewinnausgleich, wenn die Hebegebühren auch einmal 100,00 EUR oder mehr EUR betragen können, sollte der Mandant hierauf hingewiesen werden. Sofern der Mandant dann darum bittet, dass die Zahlung unmittelbar an ihn erfolgt, sollte dem Wunsch auch entsprochen werden.

[326] Schneider/Wolf, RVG, 9. Aufl. VV Nr. 1009 Rn 62.

5. Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr

 

Rz. 452

Die Hebegebühr ist nach Ansicht der Rechtsprechung nur dann erstattungsfähig, wenn sie einen nach § 249 BGB ersatzfähigen Schaden darstellt, mithin, wenn es sich dabei um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung handelt. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist jedoch für die Entgegennahme der Ersatzleistung beispielsweise in Unfallsachen keine anwaltliche Hilfe erforderlich. Als erstattungsfähig wird die Hebegebühr daher nach der Rechtsprechung nur dann angesehen, wenn die Hinzuziehung eines Anwalts erforderlich war, weil beispielsweise der Mandant im Ausland wohnt,[327] er über kein eigenes Konto verfügt oder krankheits- oder verletzungsbedingt nicht in der Lage ist, sein Konto regelmäßig zu kontrollieren.

 

Rz. 453

Auf die Frage, ob die Beauftragung des Anwalts mit der Einziehung der Gelder erforderlich war, kommt es bei der außergerichtlichen Schadensregulierung dann nicht an, wenn die Gegenseite ohne Aufforderung unmittelbar an den Anwalt zahlt.[328]

Fordert der Rechtsanwalt einen Schuldner auf, u...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge